Seit 52 Jahren heiße ich Kevin. Bei der Namensgebung ließen sich meine Eltern weder von einem Fußballstar noch von einem (zugegeben: sehr guten) Schauspieler und erst recht nicht von einem Kinofilm namens "Kevin alleine zu Hause" inspirieren, sondern dachten, wie ich weiß, eher an den irischen Heiligen St. Kevin aus dem 7. Jahrh., dessen Klostergründung nahe bei Dublin jedem Irland-Reisenden zumindest vom Hörensagen bekannt sein dürfte. Kevin ist also ein sehr alter, geradezu klassischer irischer Name, eine englische Verballhornung von gälisch "caoimh" mit der Bedeutung "anmutig, hübsch". Das "-ín" ist eine Verkleinerungsform. "Kevin" bedeutet also etwa: "Der kleine Hübsche". Kann man als Eltern die Freude über ein Kind schöner ausdrücken? Ich kann hier bestätigen, dass meine Eltern diese etymologischen Zusammenhänge durchaus kannten. Mein ansich "guter" Name ist also im Laufe der Jahre in Deutschland -- und nur hier -- zu einem sog. "Modenamen" geworden; den Anfang hiervon habe ich bereits in den Endsiebzigern in jeder Samstagsausgabe der Lokalzeitung bei den Geburtsanzeigen feststellen können; damals war ich froh: Ich musste nicht mehr dauernd meinen Namen erklären und die bis dahin meist falsche Aussprache richtigstellen. Die weitere Entwicklung hat mich nicht mehr interessiert, aber heute bin ich schockiert, wenn vermeintlich Gebildete oder Halbgebildete in Dtl. mit meinem Vornamen beinahe Asozialität konnotieren, und das fast wie unter Zwang. In einem anderen Forum haben sich "Pädagogen" reihenweise zu Wort gemeldet und in traurigen Beiträgen demonstriert, was ich mit "wie unter Zwang" meine. Was ist das für eine hilflose "pädagogische" Grundhaltung, die unumwunden ausspricht, dass sie sich -- und das ganz grundsätzlich -- außerstande sieht, jedem Menschen (jungen Menschen zumal) möglichst vorurteilsfrei zu begegnen? Hier brauchen ungeeignete oder resignierte Pädagogen offensichtlich selbst Hilfe. Bei solchen Bankrotterklärungen jedenfalls kommt der Verdacht auf, dass das Schulsystem selbst zum Perpetuierer und Multiplikator von bösen Vorurteilen geworden ist, ganz so wie es die berüchtigte Lehrerin sagte: "Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose!" Ich denke, die Debatte über den Zusammenhang von Namen und Schichtzugehörigkeit in Deutschland legt den Finger in ganz andere Wunden, und was da aufsteigt, stinkt gewaltig zum Himmel! In der Tat: Kevin ist für mein Sprachgefühl ein schöner Name. Ist es von Pädagogen zuviel verlangt, von ihnen zu erwarten, dass sie junge Menschen aufbauen, anstatt sie schon bei und an ihrem Namen zu demontieren?
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