: Vorsprung durch Technik
Der Landkreis Grafschaft Bentheim ist Niedersachsens „Fahrradfreundlichste Kommune 2007“. Beim Radverkehrsaufkommen fährt das Land im bundesweiten Vergleich in der Spitzengruppe
VON CHRISTOPH NEETHEN
Niedersachsens Verkehrsminister Walter Hirche (FDP) hat den Landkreis Bentheim gestern als Niedersachsens „Fahrradfreundlichste Kommune 2007“ ausgezeichnet. Im Radsport-Jargon unterstrich Hirche, wie schwer den Juroren ihre Entscheidung gefallen sei: Der Landkreis Grafschaft Bentheim habe am Ende „mit einer Reifenbreite vorn“ gelegen, sagte der Minister. Landrat Friedrich Kethorn (CDU) darf sich über ein Preisgeld von 25.000 Euro freuen.
Die Jury aus Verkehrsexperten, Vertretern von Kommunalverbänden, des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) sowie den Landtagsabgeordneten Brunhilde Rühl (CDU), Gerd Ludwig Will (SPD), Gabriele König (FDP) und Enno Hagenah (Grüne) hatte die Anwärterregionen per Selbstversuch durchstrampelt.
Im Fahrradsattel stellten sie unter anderen die Vernetzung des Fahrradverkehrs mit dem öffentlichen Personennahverkehr auf die Probe. Sie testeten Fahrradabstellmöglichkeiten und die Sicherheit von Radwegen. Außerdem nahmen sie die Investitionen zur Unterhaltung, Wartung und Kontrolle des Radverkehrs unter sie Lupe.
„Die Grafschaft Bentheim zeichnet sich durch vorbildliche Lösungen zur Erhöhung des Radverkehrs aus“, sagte Verkehrsminister Hirche. Insbesondere die Park-and-Ride-Möglichkeiten in der Region überzeugten das Schiedsgericht. Daneben werden alle Bundes-, 90 Prozent der Landes- und fast 75 Prozent der Kreisstraßen im Landkreis von befestigten Radwegen begleitet. Nach einer Studie besitzt in 97 Prozent der Haushalte jeder Mensch ein eigenes Fahrrad.
Radtouristen können sich mit Hilfe gut ausgeschilderter Wege und einigen Themenrouten durch die Region zurechtfinden. Ein seit zwei Jahren stündlich verkehrender Bus schnallt bei Bedarf bis zu 18 Drahtesel auf einen Anhänger und fährt Besucher in das von ihnen anvisierte Fahrtrevier. Bentheim bietet viele Pauschalangebote für Radwanderer. Eine große Zahl ehrenamtlicher „Fahrradengel“ hilft allmorgendlich Schulkindern über viel befahrene Straßen.
Die Radler der Region sollen von der Siegesprämie des Wettbewerbs profitieren. Landrat Kethorn hat visionäre Pläne zum Ausbau der Infrastruktur für den lokalen Fahrradverkehr – auch wenn er weiß, dass er von der Gewinnsumme nicht den Verkehrshaushalt konsolidieren kann. Der Landrat spricht von einer „telematischen Infrastruktur für Radfahrer.“ Die Grafschaft wolle auf verbesserte Technik setzen.
Routenbeschreibungen für Radtouren sollen in Zukunft digitalisiert werden und mit Hilfe eines GPS-Navigationssystems abgerufen werden können. Außerdem sollen an Radwegen digitale Karten installiert werden. Dies bedeute verbesserte Information und ein Plus an Verkehrssicherheit, sagte Kethorn. Bentheim solle „weiter vorausfietsen“, findet der Landrat. Wie in den benachbarten Niederlanden nennen die Bentheimer ihre Fahrräder „Fietse“.
Insgesamt hatten sich 19 der 38 niedersächsischen Kommunen am Landeswettbewerb beteiligt. Für Hirches Pressesprecher Andreas Beuge zeigt die große Resonanz, die der Wettbewerb gefunden hat, wie stark der Radverkehr im Land verwurzelt sei. Neben Bentheim schafften es die Mitbewerber Emsland, Nienburg, Göttingen und die Region Hannover in die Runde der letzten fünf.
Die Hälfte aller Landesstraßen sowie gut 60 Prozent aller Bundesstraßen in Niedersachsen verfügen bereits über einen begleitenden Radweg. Das macht zusammen mehr als 7.500 Kilometer. „Bei der Ausstattung von überörtlichen Straßen mit Radwegen zählt das Land bundesweit zu den Spitzenreitern“, stellte Verkehrsminister Hirche fest.
Mit einem Anteil des Fahrrads von 13 Prozent am Verkehrsaufkommen liegt Niedersachsen im Ländervergleich nach Bremen und Brandenburg an dritter Stelle. Die Tendenz ist steigend. Weitere Impulse werden schon bald aus Göttingen erwartet: Die zweitplatzierte Kommune im Länderwettbewerb bekam als Anerkennung vom niedersächsischen Verkehrsministerium ein Dienstfahrrad für Politiker verliehen.