Vorschnelle Abschiebehaft: Da hilft nur noch der Anwalt
Flüchtlinge landen in Deutschland häufig zu rasch und zu häufig im Gefängnis. Gibt es anwaltliche Unterstützung, kommt es in zwei Dritteln der Fälle zur Entlassung.
Abschiebehaft wird in Deutschland zu schnell und zu häufig angeordnet. Zu diesem Ergebnis kommen der Jesuiten-Flüchtlingsdienst und das Diakonische Werk in ihrer Jahresbilanz 2008. Für zwei Drittel aller Abschiebehäftlinge, die durch den Rechtshilfefonds des Jesuiten-Flüchtlingsdienst in Bayern, Berlin und Brandenburg unterstützt wurden, konnten Anwälte die Entlassung aus der Haft erreichen. In Rheinland-Pfalz und im Saarland, wo das Diakonische Werk Hessen-Nassau den Rechtshilfefonds verwaltet, waren es knapp 40 Prozent. "Die betroffenen Menschen waren also rechtswidrig inhaftiert," sagte Martin Stark, der Leiter des Jesuiten-Flüchtlingsdiensts, der taz.
Sein Fonds finanzierte im vergangenen Jahr Anwaltshonorare für 83 Abschiebehäftlinge, von denen 56 aus der Haft entlassen wurden. Der Fonds des Diakonischen Werks Hessen-Nassau unterstützte insgesamt 55 Abschiebehäftlinge, bei 46 von ihnen ist das Verfahren abgeschlossen. 18 von ihnen kamen frei. "Diese Zahlen sind ein eindeutiger Beleg dafür, dass erschreckend viele Inhaftierungen vorschnell angeordnet werden", sagte Stark, dessen Flüchtlingsdienst in Bayern, Berlin und Brandenburg mit der Seelsorge in Abschiebehaftanstalten beauftragt ist.
Zwar würden durch die Rechtshilfefonds nur ein kleiner Teil der Abschiebehäftlinge unterstützt, räumte Stark ein, dennoch geht er davon aus, dass sich ähnliche Zahlen ergeben würden, wenn alle Abschiebehäftlinge einen Anwalt hätten. In Berlin saßen nach Angaben der Hilfsorganisationen im Jahr 2007 insgesamt 1.378 Menschen in Abschiebehaft, in Brandenburg 500, in Rheinland-Pfalz 296. Zahlen aus dem vergangenem Jahr liegen noch nicht vor.
Abschiebehaft ist keine Straf- oder Untersuchungshaft, sondern eine Verwaltungsmaßnahme zur Sicherstellung der Ausreise. Sie wird verhängt, wenn sich ein Mensch illegal in Deutschland aufhält und die Gefahr des Untertauchens besteht. Abschiebehaft kann bis zu 18 Monaten dauern. Viele Häftlinge werden entlassen, weil eine Abschiebung nicht möglich ist. Anders als Untersuchungshäftlinge bekommen Abschiebehäftlinge keinen Pflichtverteidiger. Ohne Anwalt aber, so Stark, seien Abschiebehäftlinge nur schwer in der Lage, Haftanträge oder gerichtliche Entscheidungen zu kontrollieren.
Der Rechtshilfefonds der Jesuiten finanzierte im vergangenen Jahr Anwaltshonorare in Höhe von 20.000 Euro. Ein Teil der Kosten wird vom Europäischen Rückkehrfonds übernommen, der Rest stammt aus Spenden. Bei einem großen Teil der unterstützten Fälle handelt es sich um irakische Flüchtlinge, die über Griechenland eingereist sind. Damit ist Griechenland für die Flüchtlinge zuständig, so steht es in dem sogenannten Dublin-II-Vertrag der EU. Doch in Griechenland, darauf weisen Flüchtlingsorganisationen seit Langem hin, gibt es kein funktionierendes Asylverfahren. Die EU-Kommission hat deshalb bereits drei Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Griechenland angestrengt.
Ab März will Deutschland im Rahmen einer EU-Hilfsaktion ein Kontingent von 2.000 Flüchtlingen aus dem Irak aufnehmen. Jesuitenpater Stark kann daher nicht verstehen, warum irakische Flüchtlinge jetzt abgeschoben werden. "Die Bereitschaft zur Aufnahme ist doch da."
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