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■ VorschlagLesben Film Festival 1997 in den Kinos Xenon und Notausgang

Grüne Military-Pullis, weinrote Mützchen. Alltag bei einer Spezialeinheit der Royal Military Police im irischen Londonderry. Mittendrin Sergeant Caroline Meager, bei der alle Fäden zusammenlaufen. Plötzlich stehen zwei Spezialagenten an ihrem Schreibtisch. „Tja, Caroline, diesmal kommen wir wegen Ihnen.“ Dabei war Meager, gespielt von Helena Baxendale, selber „The Investigator“, nämlich Ermittlerin mit dem Auftrag, ihre Kolleginnen auf etwaige lesbische Neigungen hin zu bespitzeln.

„The Investigator“ ist einer von einem halben Dutzend Spielfilmen beim diesjährigen Lesben Film Festival und beruht auf einem authentischen Fall. Denn – wie die echte Caroline Meager im Epilog des Films anmerkt – die britische Armee entließ in den letzten Jahren mindestens 700 Militärangehörige vor dem Hintergrund ihrer sexuellen Identität. So geschehen auch bei Meager nach zwölf Dienstjahren. Delikat an der Sache ist allerdings, daß sie selbst als Ermittlerin an „lesbischen Hexenjagden“ beteiligt war. Die Regisseurin Chris Oxley recherchierte für ihre TV-Produktion intensiv die Umstände, sprach mit vielen, zum Teil noch im aktiven Dienst befindlichen Personen. Dabei läuft für die Jungsoldatin in den frühen Achtzigern alles ganz günstig an. Meager freut sich an ihrer Uniform, säuft mit den Kollegen, kurz gesagt – wähnt sich endlich, „one of the boys“ zu sein. Die TV-Produktion zeigt eine Innenansicht des Militärbetriebs und schildert exemplarisch Meagers ausweglose Situation, als sie erkennt, daß sie selbst lesbisch ist. Ein Fernsehspiel mit Reportcharakter, mit ordentlichen Bildern, dramatisch und dennoch schnörkellos in Szene gesetzt.

Ganz anders „Groove On A Stanley Knife“, eine Expedition in verborgene Abgründe einer Frauenfreundschaft. Eigentlich ein verfilmtes Zweipersonenstück, auch wenn im Zusammenhang der Story noch ein paar bedrohliche Crackdealer auftauchen. Der intime Schlagabtausch der Freundinnen Stef und Tammy ist ein veritabler Psychotrip und spielt in einer geräumigen Abrißhaus-Toilette. In einem Versteck, das aussieht wie eine Klappe. Das Ganze wird stets unterbrochen von schockartigen Rückblenden, deren Schnittfolge mit dem Rhythmus des Soundtracks konkurriert.

Groove On A Stanley Knife Foto: Verleih

Wie schon in den vorherigen Jahren machen die verschiedenen thematischen Kurzfilmblöcke einen Großteil des Programms aus. In der deutsch-schweizerischen Schiene läuft „Casting“ von Katrin Barben. Hier umkreisen sich eine arrogante Jungschauspielerin und eine verschrobene Regisseurin im Dunstkreis der berüchtigten Besetzungscoach in einem etwas witzlosen Machtspiel.

Interessanter dürfte da das Programm „Cactus Babylon“ mit dokumentarischen Kurzfilmen sein: Der kanadische „Surviving Memory“ porträtiert die filmische Suche einer jüdischen Lesbe nach Anhaltspunkten ihrer Erinnerung. Ähnlich wie der vor wenigen Jahren preisgekrönte „Complaints of a Dutiful Daughter“ befaßt sich „In Living Memory“ mit der sich verändernden Beziehung einer Tochter zu einem an Alzheimer leidenden Elternteil. Amys 73jähriger Vater, ein überzeugter Leninist, ist weniger schockiert über ihr Coming-out als über ihre Sympathie für den Trotzkismus.

Eröffnet wird das seit knapp zehn Jahren existierende Festival mit einer Hommage an Pratibha Parmar. Parmar, die einen Großteil ihrer Kurzfilme in Kooperation mit dem britischen Channel Four produzierte, machte sich mit Arbeiten über den Alltag asiatischer Lesben einen Namen. Ihr Interviewfilm „Kush“ von 1991, der Lesben und Schwule in England und Indien befragt, ist nach wie vor ein Unikat. Ihr neuester Film, die Kompilations-Orgie „Jodie: An Icon“, ist Fanfutter der einschlägigen Art. Da wird Jodie Foster mit passenden Filmschnipseln retrospektiv zum Tomboy-Idol hochstilisiert oder darüber sinniert, ob sie mit Filmpartnerin Nasti Kinski etwas gehabt haben könnte usw. Zwischendrin melden sich britische Szenegrößen und Lokalmatadorinnen zu Wort und geben ihre ganz persönliche Fanmeinung ab. Vorgeführt wird außerdem ein sowohl männliches als auch ein weibliches Foster-Double.

Mehr Freude und Identifikation bietet da das Londoner „Dyke- TV“, eine Mischung aus Talk-Show und Lifestyle-Magazin, das seit zwei Jahren regulär am Samstagabend auf Channel Four sendet. Das professionell gemachte Magazin – das einzige seiner Art in Europa – zeigt das Festival in einer eigenen Präsentation.

Insgesamt scheint die schwul-lesbische Festivalszene in Berlin überraschenderweise wieder enger zu werden. Nachdem im letzten Jahr das Schwullesbische Film Festival nach drei Durchläufen aufgegeben hatte, drängt jetzt der kommerzielle Veranstalter „Rosebud Entertainment“ auf den Markt. Dort plant man im Stil des „Verzaubert“-Festivals in Münster nun eine ähnlich aufgezogene Veranstaltung in anderen Städten, darunter Hamburg und im November Berlin. Im Vorfeld des Lesbenfilmfests führte dies bereits zu unschönen Rangeleien um exklusive Uraufführungsrechte einzelner Filme. Gudrun Holz

Das Lesben Film Fest 1997 läuft vom 30.9. bis 5.10 in den Kinos Xenon, Kolonnenstraße 5, und Notausgang, Vorbergstraße 1

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