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SanssouciVorschlag

■ Eric „IQ“ Gray im Huxley's Jr.

Wie kommt ein schwarzer Musiker, fest verwurzelt in der amerikanischen Szene, ausgerechnet auf die Idee, nach Deutschland umzuziehen? Interessante Frage, einfache Antwort. Es war die Liebe, die Eric „IQ“ Gray nach Hamburg trieb. „IQ“ war Musiker und Produzent der Poor Righteous Teachers und Mitglied der „Five Percent Nation“, einer Splittergruppe der „Nation Of Islam“. Diese sind wiederum eine Organisation, die unter ihrem Führer Louis Farrakhan einen schwarzen Radikalismus vertritt, der unter anderem die Heim-nach-Afrika-Ideologie nach Amerika verlegt und einen eigenen schwarzen Staat innerhalb der USA fordert. Manche sagen, die Politik der NOI sei afro-amerikanisch, andere sprechen offen von schwarzem Rassismus. Auf jeden Fall hatte Gray wohl seine Probleme, als er sich in eine weiße Deutsche verliebte: „Sie verstießen mich mit dem heiligen Koran in der Hand, weil ich eine weiße, deutsche Lebensgefährtin hatte.“ (in Bad, Oktober 92)

Angekommen in Hamburg, verlieh er der dortigen Musikszene eine Blutauffrischung, auf die sie – so scheint es – schon lange gewartet hatte. Er provozierte nicht nur die schon vorhandenen Microphon Commandos und Sound Systems wie Easy Business zu mehr Engagement, sondern gab gewissen Teilen der Hamburger Rock- und Punk-Szene die Möglichkeit, das selbst zu machen, was sie selbst schon lange hörten, ohne plump nachspielen oder auf die nicht unwichtige Authentizität – woanders heißt das street credibility – verzichten zu müssen. Zusammenarbeit war das Zauberwörtchen, und die Goldenen Zitronen und Matthias Arfmann (Kastrierte Philosophen) nutzten die Möglichkeit aus. Mit Zitronen und Easy Business enstand die Maxi „80.000.000 Hooligans“. Deutsche Texte + amerikanischer HipHop = Kommentar zur Lage der Nation.

Arfmann und vor allem die Zitronen profitierten von der musikalischen Stilsicherheit, die Gray mitgebracht hatte. Er ist ebenso in der Lage, harte Beats zu mischen, wie einen sanft groovenden Jazz-HipHop-Untergrund zu schaffen. Auf seiner ersten in der Fremde aufgenommenen Soloplatte „The Vinyl Call“ offenbart er eine selten gehörte Stilvielfalt.

Inhaltlich hat sich Gray natürlich und notgedrungen von den Ansichten seiner moslemischen Glaubensbrüder und ehemaligen Kampfgenossen in New York entfernt. In seinen Raps reflektiert er die neuen Gegebenheiten, das schnell erlernte Wort „Ausländer“ taucht oft genug in seinen Raps auf. Hinzugekommen ist außerdem die Erfahrung der doppelten Entwurzelung: herausgerissen aus Afrika, herausgerissen aus seiner schwarzen community. Immerhin, den Rassismus hat Gray schon vorher kennengelernt – wenn auch eine andere Ausformung. Gefährlich genug sind beide. Thomas Winkler

Eric „IQ“ Gray spielt heute um 20 Uhr im Huxley's Jr., Hasenheide 108-114, Kreuzberg

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