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SanssouciVorschlag

■ Zata Thater zeigt „Femmes Fatales“ im Café Kuckucksei

„Die guten in die Wiege, die schlechten in den Papierkorb“, rät die Witwe ihren Kundinnen. Bei dem Auszusortierenden handelt es sich jedoch nicht um Erbsen oder ähnliches Getier, sondern um winzige Menschenkinder, die sich kurz nach der Geburt für die Witwe nur durch eines unterscheiden: da gibt es die mit der potentiellen Veranlagung zum Patriarchen (und die müssen entsorgt werden), und auf der anderen Seite sind die Mädels, die gehegt und gepflegt und angemessen beraten werden müssen. Und so sitzt die Witwe, ganz alternde Diva und kettenrauchend, Tag für Tag auf ihrer Parkbank, beobachtet das Treiben der kleinen Stadt und berät – für viel Geld, versteht sich – Frauen bei ihren kleinen oder größeren Problemen.

Um es vorwegzunehmen: Bei der neuesten Produktion „Femmes Fatales“ vom Zata Theater handelt es sich nicht um ein hausbackenes Lehr- und Rührstück für Frauen, voll beladen mit Ressentiments gegen eine seit Jahrhunderten von Männern dominierte Gesellschaft. „Femmes Fatales“, frei nach Jean-Claude Danaud in einer Bearbeitung von Regisseur Dirk Szuszies, ist vielmehr eine aberwitzige Parodie auf dieses Genre, makaber, blasphemisch und entlarvend komisch. Dirk Szuszies setzt nicht auf Identifikation mit den Figuren, sondern verfremdet sie ironisch, zeigt sie als Chargen, ohne dabei in billige Effekte abzudriften.

Mit gekünsteltem französischen Akzent unterhalten sich die drei Frauen auf der kleinen Bühne im Café Kuckucksei. Ihr Aktionsradius ist stark eingeschränkt, allein die Dialoge zählen und deren unnachahmlich kompromißlose Präsentation: Elke Büttgenbach verleiht der Witwe lasziven Charme und stoisches Dogma, wenn es um die Männerwelt geht. Ihre Ratgeberfähigkeiten sind bislang noch nicht in Frage gestellt worden. Erst Sophie schafft ihr ein delikates, fast unlösbares Problem: den Kopf von Ehemann Roget, unter einem Bündel Lauch verborgen, sauber abgetrennt von Sophies elektrischem Küchenmesser. Karin Kaper spielt die Sophie, ganz Schmollmündchen und naive Schönheit, das Jojo parat, wenn sie nervös wird. Ihre Darstellung ist am weitesten entfernt vom Zustand „Normal Null“, fast etwas zu überzogen, aber wenn sie dann mit voller Inbrunst „Diese Schurken“ in den Zuschauerraum trotzt, glaubt man ihr, zu jeder weiteren Tat fähig zu sein. Der Kopf des armen Roget erlebt ein Schicksal, das an die besten Momente von Hitchcocks schwarzer Komödie „Immer Ärger mit Harry“ erinnert. Gerade schien er kein Thema mehr zu sein, und schon taucht er an unpassender Stelle wieder auf. Sein letztes Heim findet er bei Mademoiselle Petitpas, einer sehr zweifelhaften Heiligen, von Manuela Winckler mit Altjüngferlichkeit und zweideutigem Puritanismus ausgestattet.

„Femmes Fatales“ ist keine der üblichen Zata-Produktionen, ist nicht geprägt vom experimentellen Collage-Stil, der ihnen sonst zu eigen ist. „Femmes Fatales“ ist ein Kammerspiel, eine gelungene Fingerübung für drei Schauspielerinnen. Und die bereitet den Zuschauern sicherlich genausoviel Vergnügen wie den Ausführenden auf und hinter der Bühne. Anja Poschen

Noch bis 2. Mai, freitags bis sonntags, 20.30 Uhr im Cafe Kuckucksei, Wrangelstraße 79, in Kreuzberg.

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