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SanssouciVorschlag

■ Das Theater "Der vergrabene Hund" spielt "Sexzess"

„Wir alle geilen durch den Wald, der eine geilt den anderen kalt.“ Was mit diesen Worten als harmlos-fieses Hula-Hoop- Kinderspiel beginnt, wird bis zum „Sexzess“ getrieben. Die Freie Theatergruppe „Der vergrabene Hund“ zeigt in diesem Stück üble Varianten zum Thema Sex/Macht/Gewalt. Ausgehend von Edward Bonds „Gerettet“, Elsa Morantes „La Storia“ und „Die Verwandlungen des Benno Blimpie“ von Alberto Inauretto, pickt sich diese Collage exemplarisch einige Formen der sexuellen Gewalt heraus: Dicker Junge wird von anderen Jungen gequält und zum Mundverkehr gezwungen/ Alter geiler Sack lockt Mädchen mit Süßigkeiten und Geld, Mädchen spielt halbwissend mit ihm und ihrer Macht über ihn/ Nazisoldat vergewaltigt Jüdin.

Die Szenen sind sehr realistisch und stehen für sich. Zwischendurch verwandeln sich die Spieler immer wieder und verblüffend schnell in die Kinder vom Anfang, die mit Spielreimen, Hula- Hoop-Reifen und Sprungseil die ganze Tragödie mit dem Geschlecht (dem eigenen und dem anderen) auf den Punkt bringen: „Ein Kuß/ Zwei Kuß/ Drei Kuß/ Ein Kind/ Zwei Kind/ Drei Kind“ (und wer verliert:) „Geschieden! Geschieden!“ Zwischen diesen Szenen erzählt eine beruhigend-leblose Frauenstimme vom Band, wie man mit dem Penis einen Brief schreibt und was man in einer 40minütigen Dienstreise untenrum an sich selbst so alles erleben kann. Und dergleichen Therapeutisches mehr.

Unvermutet aber wird auch diese Handlung unterbrochen, durch absurde stereotype Bewegungsabläufe, welche die Figuren, grausigen Marionetten gleich, immer und immer wiederholen, bis sie plötzlich auch das wieder abbrechen und weiterspielen. Diese Sequenzen sind eine Spezialität der Theatergruppe. Es sind Abstraktionen, Codes für das Unterbewußtsein. Choreographisch perfekt wirken die Darsteller hier wie Wahnsinnige, die den Teufel im Leib haben. Seiner Macht ohnmächtig ergeben, führen sie seine Befehle aus. Natürlich ist das alles einstudiert, kontrolliert und unspontan, doch wirken diese Sequenzen viel stärker und unmittelbarer als die reale Ebene, die exemplifizierend einige Urformen der Stiefgeschwister Sex/Gewalt darstellt.

Die Regisseurin Nelia Veksel, in Kiew geboren, studierte Schauspiel und Regie an der Staatlichen Akademie Petersburg. Sie verließ Rußland Anfang der siebziger Jahre, ging erst nach Israel, kam dann nach Deutschland und gründete vor zwei Jahren in Berlin zusammen mit ausgebildeten Schauspielern die Theatergruppe „Der vergrabene Hund“. Die bisherigen Inszenierungen („Die Stärkere“, „Zeittotschläger“ und „Sexzess“) sind alle nach der gleichen Arbeitsmethode entstanden: Ein Thema wird gewählt, entsprechende Passagen aus Theaterstücken und Literatur teils direkt, teils assoziativ hinzugefügt, dazu Bilder, Spiele, Sprüche aus der Alltags- und Kinderwelt. Aufführungsorte sind Cafeś und Kneipen. Der Mangel an einer festen Spielstätte wird zum Konzept: Die Öffentlichkeit der Räume nutzend, wird direkt an den Tischen um und neben uns gespielt, auch die freundliche Bedienung entpuppt sich plötzlich als Mitwirkende, was eine sehr distanzlose interaktive Atmosphäre schafft – ohne daß man miteinbezogen wird, Gott sei Dank. Almut Klotz

Noch heute und morgen 21 Uhr in der „Alten Kantine“ der KulturBrauerei, Knaack-/Ecke Dimitroffstraße, Prenzlauer Berg.

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