Sanssouci: Vorschlag
■ „Die Ecke“ im Zan Pollo-Theater
Eine Frühlingsellipse: „Die Ecke“ Foto: Thomas Seufert
April, April... der weiß nicht, was er will: Die neue Inszenierung des Zan Pollo-Theaters ist ein Aprilwetterstück. Nach dem dramaturgisch reichen Prinzip von „bald Regen und bald Sonnenschein“ reiht sie unterschiedlich temperierte Miniaturszenen aneinander, die sich mehr durch Hitze- und Kältegrade unterscheiden, durch Affektzustände anstelle ihrer narrativen Struktur. Denn gesprochen wird in diesem Wechsel von Gefrier- und Auftaugebärden wenig; der Titel „Die Ecke“ hat den metaphysischen Gehalt eines Aprilscherzes in sich.
Wie es der „Konzept- und Ideenträger“ Dieter Dolch und der Regisseur Peter Schöttle wollen, stellt dieses kleindosierte Spiel mit den Jahreszeiten den Versuch dar, „dem Kummer über die Welt die verlogenen und verletzenden Worte zu nehmen“. Daher wird neben dem Schweigen und der großteils rein tänzerisch- gestischen Auflösung wieder Frühling und Unschuld geprobt: nicht nur mit Robert Walser das „Grün“ in all seinen Effekten beschworen, auch das Aufkeimen der Triebe und alle Arten von Knospungen werden gezeigt.
Den Szenen, die sich selbst in ihren Texten der Welt nur elliptisch, in absurden Beschreibungen nähern, haftet etwas Vorläufiges, der Charakter einer Versuchsanordnung an: Begegnungen zwischen Personen werden in ihren Varianten getestet, Fröhlichkeiten und Einsamkeiten durchgespielt; komische und absurde Gesten stehen wie letzte Lebensversuche unvermittelt im Raum. So entsteht ein Puzzle von Lebenssituationen, das in seiner Bruchstückhaftigkeit von der „Welt hinter dem Schweigen“ zeugt. Dabei haben diese Szenen mitunter das Unverkrampfte von Kinderspielen: von der erhöhten Bank zu Beginn, von der aus die Sitzenden den Boden nicht berühren können, bis zu den Variationen von Doktor- und Tierspielen oder den krausen Nonsense-Gedichten.
In ihrer Minimalität ist die Inszenierung perfekt. Jedes Atom der dramaturgischen Kette ist in seiner Pointe gesättigt – und dennoch bleibt das Gefühl des Ungenügens zurück. Das Spiel mit den versteckten Ecken, den stillen Gedanken, den heimlichen Wünschen: trotz der guten Darbietung aller Schauspieler hat es zuviel verfeinert Verspieltes, zuviel des unentschiedenen Aprilwetters in sich. Michaela Ott
Bis 1.5., Mi.–So., 21 Uhr, im Zan Pollo-Theater, Rheinstraße 45.
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