■ Vorschlag: Eine Lesung zum 100. Geburtstag von Hermann Kasack in Potsdam
Ein expressionistischer Lyriker und Dramatiker. Geboren vor hundert Jahren in Potsdam. Lektor bei Kiepenheuer, Fischer und Suhrkamp. Erzähler und Essayist. Sein berühmtester Roman heißt: „Die Stadt hinter dem Strom“, er selbst Hermann Kasack. Wer ihn nicht kennt, braucht kein schlechtes Gewissen zu haben, denn Kasack gehört zu den vergessenen Größen der deutschen Literaturgeschichte. Doch einst war er ein Shooting-Star. Kaum 30 Jahre alt, wurde er Direktor des Kiepenheuer Verlags, der damals noch in Potsdam ansässig war. Schon seit 1925 arbeitete er regelmäßig für den Rundfunk und entdeckte das neue Medium als künstlerisches Experimentierfeld und lohnende Erwerbsmöglichkeit. Damit war es 1933 vorbei, als ihm mitgeteilt wurde, sein „Name sei im Funk nicht mehr tragbar“. Auf Kasack läßt sich der problematische Begriff von der inneren Emigration durchaus anwenden: Er blieb freier Schriftsteller und mußte, da seine Frau berufstätig war und für beide sorgte, keine Konzessionen an den Nazi- Staat machen. 1941 wurde er Lektor bei Suhrkamp, nach der Verhaftung Peter Suhrkamps 1944 übernahm er die Leitung des Verlags und brachte das Haus auch durch die Wirren der unmittelbaren Nachkriegszeit. Die Vision einer totalitären Herrschaft, des „Zwischenreichs“, wie Kasack sie in „Die Stadt hinter dem Strom“ entworfen hatte, nahm in der sowjetischen Besatzungszone neuerlich Gestalt an, was den Dichter im Februar 1949 zur Übersiedlung in den Westen veranlaßte. Hier wurde er 1953 zum Präsidenten der „Akademie für Sprache und Dichtung“ gewählt. Bis zu seinem Tod 1966 blieb er Schriftsteller, Herausgeber und Förderer der Literatur.
Kasack hat beinahe während der ganzen Zeit Tagebuch geschrieben. Die Aufzeichnungen von 1930–1943 wurden 1992 publiziert, die Fortsetzung erschien in diesen Tagen in der Edition Hentrich: „Dreizehn Wochen“, in denen Kasack den Zusammenbruch des Dritten Reiches und die russische Besetzung in Potsdam erlebte. Herausgegeben wurde der Band vom Sohn des Dichters, dem Slawistikprofessor und Solschenizyn-Übersetzer Wolfgang Kasack. Heute wäre Hermann Kasack 100 Jahre alt geworden. Aus Anlaß der Buchpremiere liest Wolfgang Kasack im Potsdamer Alten Rathaus aus den Aufzeichnungen seines Vaters. Peter Walther
Die Lesung wird vom Brandenburgischen Literaturbüro veranstaltet, heute, 19.30 Uhr, Altes Rathaus, Alter Markt 7, Potsdam.
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