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■ VorschlagWiedersehen mit Winnetou

Er war der Held unserer Indianerspiele im Hof. Jeder wollte Winnetou sein. Old Shatterhand ging auch in Ordnung, Häuptling Intschutschuna war weniger attraktiv, aber immerhin noch auf der richtigen Seite. Wir Mädchen durften uns abwechseln, als Winnetous Schwester Nschotschi immer wieder erschossen zu werden oder im Pulk der Apachen zu heulen.

Die Weite der jugoslawischen Landschaft, Martin Böttchers verheißungsvolle Westernklänge und die beiden Blutsbrüder beim Ritt ins nächste Abenteuer – Harald Reinls Karl-May-Verfilmungen, für die sich sogar amerikanische Kritiker begeisterten, stellten die Seele jeder bundesdeutschen Sozialisation der Sechziger und Siebziger. Bezeichnend und allzu verständlich, daß vor ein paar Jahren ein Vater, wohl einer jener früheren Hinterhofindianer, auf einem Hamburger Standesamt mit dem Versuch scheiterte, seinen Sohn Winnetou zu taufen.

Die Filme mit dem edlen Häuptling der Apachen produzierten nicht nur Millionen Möchtegernindianer, sie prägten auch das Bild einer ganzen Garde deutscher Schauspieler. Natürlich hingen Mario Adorfs ewige Schurkenrollen damit zusammen, daß er nun mal der Mann war, der Nschotschi erschoß. Klaus Kinskis psychopathischer Karriereverlauf entschied sich mit Winnetou II, wo er als durchgedrehter Bösewicht in die Kamera starrte: „Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer.“ Was wäre aus Uschi Glas geworden, hätte sie nicht das Halbblut Apanatschi gespielt? Oder aus Terence Hill – in Winnetou II hieß er noch Mario Girotti und hatte schöne schwarze Locken. Aus Karin Dor und Götz George? Ganz zu schweigen von Pierre Brice, der von hier aus seinen langen Ritt nach Bad Segeberg und in die deutschen Vorabendserien antrat?

Im Rahmen der Reihe „America, du hast es besser?“ über Amerikabilder im deutschen Kino zeigt das Zeughaus Kino jetzt Winnetou I, II und III, die abgeschlossene Trilogie der reinen Winnetou-Filme, an deren Ende der edle Häuptling in die ewigen Jagdgründe entschwindet. 1966 bestieg Pierre Brice seinen Rappen dann doch wieder für drei weitere Winnetou-Produktionen, die auch nicht schlecht, aber längst nicht so gut gerieten. Katja Nicodemus

„Winnetou I“, heute abend 20.30, „Winnetou II“, Dienstag, 18.15, Winnetou III“, Dienstag 20.30 Uhr im Zeughaus Kino, Unter den Linden.

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