■ Vorschlag: Wonderful world of Köpenick! Zu Gast bei The Too Late Nite Show
Harald Schmidt kann abdanken. Jetzt ist Adrian Kennedy da, der Star von Köpenick TV auf Kanal 67. Im Rahmen eines EU-Austauschprogramms kam er nach Deutschland, um den hiesigen Humor den Maastrichter Verträgen anzupassen. Freilich geben die Deutschen, die Adrian überfallartig in seine Show einbezieht, ein peinliches Bild ab. Um eine neue Freundin zu finden, läßt er sich von Zuschauern die Telefonnummern in Frage kommender Damen geben und ruft sofort an. „Hä?“ antwortet Katie aus Steglitz verstört auf die Frage, ob sie eine „romantic person“ sei. „Ick versteh nüscht!“ Einem Treffen scheint sie dennoch nicht abgeneigt, aber Adrians eifersüchtige Assistentin Jasmin (Heather de Silvio) geht mit dem Küchenmesser dazwischen.
„The Too Late Nite Show“ ist jedoch viel mehr als die Summe witziger Szenen. Was diese Show so irrsinnig komisch macht, ist die Mischung aus parodistischen Interviews, Attacken auf die Zuschauer, verwackelten Filmchen über die Untiefen der Köpenicker Seele sowie ein nur als genial zu bezeichnender Einsatz der Handkamera. Die Live-Übertragung auf eine Leinwand am linken Bühnenrand ist keine bloße Verdoppelung, sondern die Potenzierung des Nonsens. Wenn Adrian einen Köpenicker Kommissar interviewt – den zweiten von drei Gästen, die alle Rolf Kemnitzer spielt –, hängt die Kamera an der Decke, so daß Talkmaster und Gast sich rücklings hinlegen müssen, um im Film aufrecht stehend zu erscheinen. Dies alles spielt in einer Kulisse wie aus „Gullivers Reisen“: Rechts steht ein monströser Stuhl, auf dessen Sitzfläche man hüpfen muß, das Telefon ist groß wie eine Mikrowelle, die Leinwand stellt die Mattscheibe eines riesigen Papp-Fernsehers dar. Um die gewaltigen Stufen im Hintergrund zu erklimmen, muß Jasmin sich mit beiden Ärmchen hinaufziehen. Später dann ein Sprung von Brobdingnag nach Liliput: Die Kamera filmt ein unheimlich beleuchtetes Spielzeugschloß, in dem an Drähten geführte Gummibärchen Hamlet proben. Auf der Leinwand scheint alles normal groß, bis der Geist auftritt: Ein schauriges Monster im Nebel, das den ganzen Horizont ausfüllt. Es ist Adrians Gesicht. Am Schluß steht ein munteres Selbstmordspiel (das Kemnitzer in einem früheren Programm allerdings schon mal erheblich besser dargeboten hat). Jasmin gewinnt das Sterbehilfe-Paket im Wert von 5.000 Mark und wird erschossen. Dazu singen die Zuschauer „What a Wonderful World“. Und so war es auch: ganz wunderbar. Miriam Hoffmeyer
Bis 3. November täglich 20.30 Uhr in Friends of Italian Opera, Fidicinstraße 40, Kreuzberg, Tel. 6935692
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen