piwik no script img

■ VorschlagPeter Güllensterns „Trainee“, ein Fahnen-Objekt in der SOMA-Galerie

Ein Fest kommt selten allein. Mit Pomp, Trara und Beethovens Neunter hat das Daimler-Benz-Unternehmen das erste Richtfest auf dem Potsdamer Platz just an dem Wochenende abgefeiert, da Helmut Kohl sich als dienstlängster Kanzler Deutschlands in die Annalenbücher der Geschichte eintragen durfte. Es besteht kein Zweifel mehr: Die Regierung ist im Anmarsch. Wo rund um den Potsdamer Platz gebaggert und geschaufelt wird, was das Zeug hält – am Lehrter Bahnhof, Reichstag, Brandenburger Tor, Schloßplatz und Unter den Linden –, dort, wo heute noch tonnenschwere Kräne eine unwirkliche Silhouette am herbstlichen Spätnachmittagshimmel zeichnen, werden in nicht allzu ferner Zukunft schwarzrotgoldene Fahnen an meterhohen Masten im Winde wehen.

Daß Berlin damit ein nicht gerade unbedeutender Tapetenwechsel unmittelbar bevorsteht, hat nur einige Kilometer entfernt vom neuen Regierungsviertel der Steinmetz und Bildhauer Peter Güllenstern in der Kreuzberger Galerie SOMA in einer einzigen Installation unmißverständlich auf den Punkt gebracht. Passend zum emsigen Baubetrieb in der Stadtmitte hat er zig mannshohe Tapeziertische aufgebockt und damit den an drei Seiten verglasten Vitrinenraum besetzt.

Betreten kann die Galerie allerdings niemand, geschweige denn an den Tischen zu Werke gehen. Dafür sind sie absichtlich viel zu hoch angebracht worden. Auf ihrer Oberfläche klebt überdies ein schwarzrotgelber Veloursteppich, Qualität: übelste Sorte – weder geruchsneutral noch besonders flauschig. „Trainee“ nennt Güllenstern sein Objekt und meint damit, die Situation einer Gesellschaft zu beschreiben, die übt und sich wandelt. Daß diese sich nicht unbedingt zum Positiven wandeln muß, wird einem mit auf den Weg gegeben. Durch ihre raumfüllenden Ausmaße drängt Güllensterns Installation nach außen und fordert einen beim Vorübergehen auf, verdutzt stehenzubleiben. Die deutsche Trikolore, die zunächst auf den ersten Blick als Oberflächenstruktur eines Objekts eingearbeitet zu sein scheint, entpuppt sich auf den zweiten Blick als schwer aufgeladenes Sinnbild. Nebenbei öffnet sie auch die Augen für die gelb-rot-schwarz gestrichene Toreinfahrt zum „Domäne“-Baumarkt, in der sich die Galerie befindet. Und plötzlich fallen einem ausgerechnet diese abgelutschten Brandt-Worte ein – „was zusammengehört, wächst auch zusammen“ –, die eigentlich keiner mehr hören mag. Petra Welzel

Galerie SOMA, Ohlauer Str. 38/40, Berlin-Kreuzberg, bis 24. November, täglich 0-24 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen