■ Vorschlag: „Aura Korea“ im HdKdW
Gut Ding will Weile haben, besonders in Asien. Vom Kabuki- Theater in Japan bis zum Wayang-Schattenspiel in Indonesien, in der Form wie in der Dauer traditioneller künstlerischer Aufführungen manifestiert sich das besondere asiatische Zeitgefühl. Eine koreanische Pansori-Oper etwa kann bis zu acht Stunden dauern und fasziniert weniger durch eine mitreißende Dramaturgie (die es nicht gibt) als durch ein allmähliches, hypnotisches In-den-Bann-Schlagen des Zuhörers, das ihn eintauchen läßt in die Musik wie ins Geschehen, das ihn Ort und Zeit vergessen läßt wie im Drogenrausch. Durch zyklische Repetition und meditatives Verweilen, oft das Umkreisen eines einzigen Tones, entsteht ein Gefühl für die Ewigkeit.
Eine Pansori-Oper besteht aus einem langen, gesungenen Monolog eines Solisten, der durch Gestik und Gesang die handelnden Personen des Dramas darstellt. Begleitet wird er dabei nur von einem Buk-Trommler, der den Sänger gelegentlich per Zuruf anfeuert: Spoken Poetry auf Koreanisch, die neben Liebesgeschichten oft auch politische Themen zum Inhalt hat. Nur fünf verschiedene Pansori-Operndramen werden derzeit noch aufgeführt, darunter eine namens „Tschunhyang“, die aus 23 Szenen besteht. Mit der zweiten Szene, dem „Morgenanblick“, beginnt heute im Haus der Kulturen der Welt ein Abend mit traditioneller Musiker und Tanz aus Korea.
„Aura Korea“ ist eine Art „Best of“-Leistungsschau perfektionierter, (süd)koreanischer Volkskultur. Denn nicht nur haben die Veranstalter den Pansori-Trip ein bißchen komprimiert an den Anfang gesetzt, anschließend werden auch noch diverse Gasa-Sänger, Bambusflöten-Solisten, Kostüm-Tanzgruppen und ein Samulnori- Trommelquartett die Bühne betreten und vom Erntedank-Trommeltanz bis zum instrumentalen Kammerensemblestück eine ganze Palette unterschiedlicher Genres vorstellen.
Die Künstler sind allesamt Gewinner eines jährlich stattfindenden Wettbewerbs traditioneller Musik in Seoul, bei dem die „Spieler des Jahres“ gekürt werden und damit die Erlaubnis erhalten, sich „Meister“ nennen zu dürfen. Meist haben sie dann bereits eine mindestens dreißigjährige Ausbildung hinter sich, wobei dieses Langzeitstudium freilich vom Staat unterstützt wird. Denn auch im Wirtschaftswunderland Südkorea läßt sich traditionelles Zeitgefühl, und sei es nur in der Kunst, nicht ohne aktive Förderung auf ewig konservieren. Daniel Bax
Heute, 20 Uhr, im Haus der Kulturen der Welt
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