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■ VorschlagKinderlein kommet: Der Pfefferberg ruft zur türkischen Weihnacht

Weihnachten, das ist für die meisten Jugendlichen eine ziemlich langweilige Zeit. An den Feiertagen haben die Geschäfte zu, die deutschen Freunde sind mit Familie okkupiert, und im Fernsehen läuft meist auch wenig Gescheites. Unvermeidbar drängt sich die Frage auf: Was tun? Denn ignorieren ist schwierig und verreisen teuer, also bleibt nur, sich mit Leidensgenossen zusammenzutun und aus der nächsten Videothek das Überlebensnotwendige zu besorgen. Oder, als Alternative: Get together and party. Das muß sich auch jemand am Pfefferberg gedacht haben, der am Mittwoch zur Heiligen-Nacht-Nachlese ruft: Ihr Kinderlein kommet.

Auf der Bühne sind junge Bekannte anzutreffen: Berlins weibliche HipHop-Hoffnung Aziza A., erst neulich beim „Wie es ihr gefällt“-Frauenfestival in der Kulturbrauerei zu hören, hat schon eine kurze Medienkarriere als Moderatorin eines frühmorgendlichen, vielleicht deshalb auch wieder eingeschlafenen ZDF-Jugendmagazins hinter sich. Ihr erstes Stück „Kendi Yolun“, eine Art „You must go your own way“-Rap auf türkisch, erschien kürzlich auf einem Sampler von Radio MultiKulti. Das erste eigene Album soll nun endlich im März folgen, inschallah.

Aber keine Panik, kein Streß, sagen die türkischen Kollegen Aleem und Aydin sowie der Bosnier Mike alias Cribb 199. Auch Cribb 199 haben mit einem Beitrag für einen Bremer HipHop-Sampler vor zwei Jahren klein angefangen, um nach Erscheinen ihres Debüts „No Panic – no Stress“ und anschließender Tournee durch bundesdeutsche Strafvollzugsanstalten kürzlich sogar im Spiegel groß rauszukommen – wenn auch mit dem Signum potentieller Gangsta-Rapper. „Cribnessfunk“ nennen die drei Bremer ihr sehr melodisches HipHop-Folklore-Crossover; „Oriental HipHop“ nennt sich der gleiche Ansatz bei Aziza A. Doch sind auch die Modelle musikalisch analog, in den Lyrics drücken sich recht unterschiedliche Lebenswirklichkeiten aus: Während sich die Cribb- Jungs vor der Wahl „zwischen Knast und Palast“ wähnen, sinniert Aziza über ihre Frauenrolle zwischen deutscher und türkischer Diskriminierung. Und während letztere dem „Proletenpapa“ verbal an die Eier geht, singen die drei Bremer ein wirklich hörenswertes, weil umwerfend niedliches Hohelied auf ihre Mutter! Womit nicht zuletzt die Terminwahl des Konzerts ihre vollste Berechtigung erhält: Denn was wäre ein besserer Anlaß, um über das eigene Verhältnis zur Familie nachzudenken, als Weihnachten? Daniel Bax

Morgen, 22 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Mitte

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