■ Vorschlag: Avantgarde als Coverversion: Revue „Dadasophie“ im Podewil
Neunzehnhundertneunundsiebzig: Die Intellektuellen sind ratlos, die Politiker befangen, die Jugend ist in der Disco. Die Wirtschaft boomt. Die Arbeitslosigkeit ebenfalls. Die Welt ist gaga.
Wenn nichts mehr geht, geht Dada. So zumindest die Hoffnung der Regisseurin Gabriele Jacobi und des Autors Detlef Michelers, die derzeit im Podewil eine Dada-Show zusammengebastelt haben, um der „collagierten Welt“ (Michelers) ein aufrüttelndes Gesamtkunstwerk entgegenzusetzen. Die Sprachlosigkeit vom Ende des Jahrhunderts soll mit der Antisprache vom Anfang des Jahrhunderts überwunden werden. Doch heute reiht sich das, was da als „Dadasophie“ präsentiert wird, ein in die Gefräßigkeit der Remix- und Coverversionenkultur.
Zu sehen ist: eine rotgelbblau erleuchtete Bühne, ein Förderband, das Material und Menschen ins Spiel bringt, die kotzen, kokettieren, koalieren, kopulieren. Es wird gezündelt, gekreischt, gefilmt und gesungen, Dada-Manifeste werden vorgelesen, Einakter von Kurt Schwitters, Tristan Tzara, Daniil Charms nachgespielt. Raffael Rheinsberg darf leibhaftig immer wieder den Satz zitieren: „Was müssen das für Bäume sein, wo die großen Elefanten spazierengehen, ohne sich zu stoßen.“ Weil es sich um ein Gesamtkunstwerk handelt, gibt es sogar ganz den neunziger Jahren verpflichtete Happenings, die auf die finanzielle Zwangsjacke, in die die Kunst seit Radunski geraten ist, hinweisen. Kein grandioses Aufbäumen, dies als wichtigste aktuelle Reflexion so pointiert herauszustellen. Im Foyer ist zudem eine Installation aufgebaut, die auf die Wiederholung einer Gefahr verweisen soll: Über modernen Polstermöbeln läuft ein Film aus dem Zweiten Weltkrieg, in dem erläutert wird, wie an der Heimatfront die Brände zu löschen sind.
Die Revue, denn um nichts anderes handelt es sich, nimmt mit ihrer Beliebigkeit weder Bezug auf den Dada von damals noch auf das Gaga von heute. Nur einmal wird tatsächlich gezeigt, daß ein Revival der damaligen Bewegung nicht mehr funktioniert: Das aggressiv formulierte „Literarische Manifest“ von Hugo Ball wird entsetzlich müde und langsam vorgetragen. Genau so ist es. Waltraud Schwab
Dadasophie am 25. und 26.2. um 20 Uhr im Podewil
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