■ Vorschlag: Swell, Radar Brothers, Giant Sand und Crowsdell im Loft
Popmusik in den Kategorien der Hochkultur zu verhandeln führt immer wieder zu unerquicklichen Mißverständnissen wie Classic Rock und Diskurspop. Und dennoch gibt es alle halbe Jahr Konzerte, die die Einstufung „denkwürdig“ verdienen. Heute könnte sich dergleichen im Loft ereignen, wo ein ganzes Quartett vorzüglicher Bands an den Start geht.
Swell aus San Francisco zum Beispiel verhandeln Folk und die Folgen aufs angenehmste. Absolut ausgeschlafen und doch behutsam halten sie ihre Gitarren im zweiten Gang und schauen sich selbst bei leerer Straße vorsichtig um, bevor sie sich auf „Too Many Days Without Thinking“ aus dem Windschatten des im Wohnzimmer aufgenommenen Vorgängers „41“ hervorwagen. Unentbehrlich für Sympathisanten gepflegter Gitarrenklänge sind die Radar Brothers. Nicht ganz so slow wie Low, nicht ganz so psychedelisch wie Souled American und dennoch schwer beteiligt an der Wiederentdeckung der Langsamkeit, operieren sie unterhalb von Midtempo und lassen aus jedem ihrer Songs eine kleine Nachtmusik werden.
Im letzten Schein der untergehenden Abendsonne hingegen führt man sich am besten Giant Sand alias Howe „21 Alben und kein bißchen leise“ Gelb plus John Convertino und Joey Burns zu Gemüte. Deren exzessiver „Desert Rock“ verhält sich zur Arbeit des Wüstenrock-Kollegen Rich Hopkins und seiner Luminaros ungefähr wie die Sahara zur Lüneburger Heide. Großflächig plündert der beständig unter Genieverdacht stehende Gelb aus Tucson, Arizona, alle Traditionen. Je nach Tagesform knuspert er am Holzfällerblues, schlürft bezuckerten Country und rockt dann wieder drauflos, als wären Cowboystiefel und Karohemd eben erst erfunden worden.
Daß jenes Rocken, Rollen und Schmollen schon lange nicht mehr zwangsläufig von Jungs betrieben wird, beweisen die drei Damen von Crowsdell. Jenseits von Riot-Girl-Attitude und neuer Girlie- Niedlichkeit arbeiten sie seit sechs Jahren, ausgehend von heimatlicher Langeweile in Jacksonville, Florida, an ihrer Variante von Gitarre, Bass und Schlagzeug. Sowohl ihr erster Longplayer „Dreamette“ als auch das aktuelle Album „Within the Curve of an Arm“ sind schon mehr Meta- als Postrock. Unangestrengt, nahezu elegant widerlegen sie den Verdacht, sechs Saiten würden grundsätzlich nach Bier und Schweiß riechen. Gunnar Lützow
Um 20.30 Uhr im Loft am Nollendorfplatz, Schöneberg
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