■ Vorschlag: Peter Herrmann in der Galerie am Savignyplatz
Der Bilderkosmos von Peter Herrmann findet überall seinen Platz: Dramatisches Wetterleuchten über Paris im „Blitzschlag an der Seine“; stille Winkel im „St. Pauli-Triptychon“; „Napoli“ als brandgerötete unheimliche Hafenstadt, Dresden in Schwefelgelb mit Salamandern auf der „Brühlschen Terrasse“, die E.T.A. Hoffmanns „Goldenem Topf“ entsprungen sind. Hier ein melancholischer „Abschied“ von urbaner Tristesse, dort der fast heiter-erlösende Aufenthalt in „Il Paradiso“: Maler und Gefährtin in hoffnungsfroher Nacktheit, von üppiger Vegetation umflort.
Entsprechend vielfältig sind die künstlerischen Haltungen, die bei Herrmann zusammentreffen: das Leidenschaftliche von Van Gogh, der Charme Henri Rousseaus, die Lakonie Max Beckmanns. Herrmann vereint bisweilen den Farbenfuror der Wilden mit dem tastenden Liniengerüst des Tagträumers. Er malt Alltag und legt sein Innerstes hinein. Er sieht im Hier und Jetzt Früheres, Verborgenes und jede Menge irrlichternder Menetekel.
Peter Herrmann wurde vor 60 Jahren in Groß-Schönau in der Oberlausitz geboren. Er wuchs in Breslau auf. Während des Krieges mit der Familie evakuiert, zog er nach Dresden. Dort sah er Bombardement und Zerstörung der Stadt. Später nahm er Malunterricht an der Volkshochschule Dresden bei Jürgen Böttcher und gehörte zum Freundeskreis um Peter Graf, Peter Makolies, A.R. Penck und Biermann. Herrmanns figurative Kunst löste keine Skandale aus, aber sie war nur geduldet – zu alltagsverwurzelt, zu unheroisch. 1984 wechselt er nach Hamburg, dann in den Westen von Berlin.
Seine Geschichte kehrt in der Malerei wieder. Das brennende Dresden steckt auch im Paris oder Neapel von heute. Seine Lebensstationen verwandeln sich in Bilderstationen: die Eltern, die Freunde, Hamburg und Berlin, St. Pauli und Kreuzberg, vor allem der Kreuzberg. Unregelmäßig reihen sich Häuserfassaden aneinander; ihre schiefäugigen Fenstereinsprengsel scheinen sich in den Reihen der verrußten Wolkenperlen fortzusetzen. Dinge und Menschen verformen sich zu Versatzstücken einer poetischen Bilderbühne, auf der das Groteske etwas Anrührendes und dennoch Geheimnisvolles gewinnt. Michael Nungesser
Bis 21.Juni, Di–Fr 15–19, Sa 11–14 Uhr, Carmerstr. 10
Brühlsche Terrasse, Öl auf Leinwand 1995 Abb.: Galerie
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