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■ VorschlagAus Warhols Factory auf Island: Gus Gus spielen –Pop im Knaack

Diese Band entstand nicht wie andere Bands. Nicht im Probenkeller, nicht als neue Summe gesplitterter Teile vergangener Bands. Nein, Gus Gus entstanden aufgrund eines Kurzfilms. Der sollte „Pleasure“ heißen und wurde vor zwei Jahren in Reykjavik von den bereits preisgekrönten Filmemachern Stefán Árni und Siggi Kjartansson verwirklicht. Die beiden besetzten die Rollen und stellten fest, daß die Schauspieler eben nicht nur Schauspieler waren. Daraus entstand Gus Gus als Konglomerat von Sängern, Musikern, DJs, Fotografen, Computerfreaks, Finanzjongleuren, Filmemachern, Tänzern, Schauspielern. Neun Menschen zählt das Projekt, alle machen vieles. Das einzige Konzept ist die völlige Freiheit.

Die einzelnen Erscheinungsformen von Gus Gus – Musik, Film, Fotos oder Auftritte – finden überraschenderweise trotzdem eine stringente Form, auch wenn die einzelnen Künste ständig miteinander verschränkt werden. Im Mittelpunkt eines Abends steht nicht unweigerlich die Musik, sondern die Einheit der Musik mit den sonst nur flankierenden Maßnahmen wie Film-, Dia- und Slogan-Projektionen: „The concept is pretty easy to understand.“ Die Rückkehr des Gesamtkunstwerks ohne dessen staubige Siebzigerhaftigkeit.

Eher schon erinnern Gus Gus an Warhols Factory, auch wenn kein über allem schwebender Mastermind auszumachen ist. Aber unsere isländischen Freunde wissen auch im Kollektiv sehr gut, wie man mit den Medienmechanismen spielt, ohne sich dabei völlig zu prostituieren. Und ihre Musik ist so was von auf der Höhe der Zeit, daß es schon fast wieder geschmäcklerisch wirkt. Gemütliche TripHop-Beats werden verwoben mit souligen Gesangsparts, vorsichtig flotte Techno-Rhythmen mit Funk-Gitarren, süßlicher Pop mit klaustrophobischer Hörspielenge wie von Tricky, ätherische Gesänge treffen auf kaltes Elektrogeklopfe, gefolgt von schon fast folkigen Besinnungsgesängen.

Ob das ausdrückliche Beharren auf dem Projektgedanken mehr ist als ein Promotiongag, ist spätestens dann egal, wenn er funktioniert. In England, wo man seit den Sugarcubes ein wenig aufmerksamer nach Island blickt, ist man bereits angesprungen. Dort haben Gus Gus es schon zu Single-of-the-Week-Nominierungen und euphorischen Rezensionen gebracht. Thomas Winkler

21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

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