■ Vorschlag: Geplante Unschärfe: "Little Shots of Happiness" von Todd Verow
Wenn Videomaterial auf Kinoformat hochgebeamt wird, sieht das manchmal aus wie Feinripp. Kleine Rillen überziehen die Gesichter wie eine Jalousie, die man am liebsten glattziehen möchte.
Todd Verow, der in seinem Debütfilm „Frisk“ mit allzuviel vorsätzlichen Kruditäten hantierte, laboriert hier mit geplanter Unschärfe. Eine lose Geschichte soll erzählt werden, doch sie wirkt gelegentlich störend ausgedacht. Es wird wenig gesprochen in diesem Film, den Geräuschhintergrund übernimmt schrammeliger Gitarrensound. Mit einem Voice-over, das als Bewußtseinsstrom der Heldin eingesprochen wird, kommt ein spärlicher Kommentar dazu.
Während die Kamera in Großaufnahme langsam ihr Gesicht, die Polstermöbel und die Unaufgeräumtheit des Apartments abtastet, sehen wir Frances (Bonnie Dickenson) beim Aufbruch, eigentlich einem Umzug. Denn wie sie später bemerkt, wird von nun an das Office ihr Zuhause. Hier wechselt sie nach Büroschluß auf dem Klo die Kleider. Enge schwarze Satinfummel und fesselumspielende High- heels mit Blockabsatz sollen ihr zu einem aufgekratzten Nachtleben verhelfen. Also bleibt der Koffer (es ist ein echter old-styled Samsonite) gepackt unter dem Schreibtisch stehen, wo Frances tagsüber dröge Telefongeschäfte tätigt.
Was wir in der Folge zu sehen bekommen, ist ein Stelldichein der Einsamen und Isolierten an Bostoner Bartresen. Frances, die immer so aussieht wie eine, die dringend eine wilde Teenagerzeit nachholen will, übt also Rauchen. Und Trinken, Bier-, Jim-Beam-, Tequila-, Sambuco-mäßig.
Einem erzählt sie, sie sei Stripperin, während ihr Gesicht beredt das Ringen um Glaubwürdigkeit schildert. Am besten ist die Szene, als sie sich von einem Typen – immer auf der Suche nach einem Schlafplatz – von 300 Dollar („Sex mit allem Drum und Dran“) auf 15 („nur Reden“) herunterhandeln läßt. Zwei Amateure auf der Bettkante, die sich schließlich gelangweilt mit Billig-Whiskey zudröhnen.
Somit ist das Ganze alles andere als ein Joyride, denn Frances hat einfach keinen Spaß. Was bleibt, sind kleine Fluchten ohne rechte Motivation, Lasterleben als Luxus für indifferente Leute. Gudrun Holz
„Little Shots of Happiness“. Ab heute im fsk, Segitzdamm 2, Kreuzberg
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