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■ VorschlagNo Styling, please: Candido Fabre und Band bei den Heimatklängen

Der „König der Improvisation“, das ist wahrscheinlich die derzeit höchste Auszeichnung, die im Kuba der Wirtschaftsreformen zu vergeben ist. Was Candido Fabré angeht, so ist damit gemeint, daß dem Mann, der von sich selbst sagt, er habe „tausend Emotionen im Herzen“, immer etwas einfällt. Zum Beispiel, sich unpassend anzuziehen: von weitem sieht es aus wie ein Blaumann, bei näherem Hinsehen entpuppt es sich als gänzlich unspektakuläre Kombination aus Jeanshemd und –hosen. Beiläufig wie ein Elektriker in Arbeitsmontur schlurft Candido Fabré auf die Bühne, nachdem sich sein zehnköpfiges Orchester – die Männer alle artig in Schlips und weißen Hemden, die Geigerin im obligatorischen knallroten Kleid – schon etwas warmgespielt hat. Roadies hasten auf die Bühne, um dem Bandleader wenigstens einen schicken Strohhut zu reichen, aber den will Candido Fabré offenbar nicht: No Styling, please.

Oriente, der kubanische Orient, so heißt die östlichste Provinz der Karibikinsel, aus der Candido Fabré und Orchester ursprünglich stammen. Weniger orientalisch, vielmehr französisch geprägt ist freilich das Equipment der Band, die in klassischer Charanga-Manier die melodischen Sahnehäubchen auf die blubbernde Son-Suppe zaubern. Das Tempodrom tanzt, aber so richtig aufregend ist die Darbietung nicht. Als respektabler Einheizer geladen, das diesjährige Heimatklänge-Festival würdig abzuschließen, erledigt Candido Fabré seine Arbeit souverän, wenn auch kaum glanzvoll – wie ein heiserer Hirsch röhrt er zuweilen seine Zeilen ins Mikrophon, als hätte er Husten. Kurz vor Schluß stürmen zwei Dutzend Hardcore- Aficionados zum Tanz auf die Bühne, und nach dem Konzert wird vor der Tür weitergefeiert. Mit Autoradio und heruntergelassenen Seitenfenstern geht es auch ohne Charanga-Orchester ganz gut ab. Denn mal ehrlich: Im Grunde war dessen Vorstellung nicht viel anspruchsvoller als die Show jener Schlagerkapellen, die jedes Wochenende in der Eierschale Zenner im Treptower Park oder im Prater-Biergarten die Ostberliner Rentnerpärchen in Schwung bringen. Dort, wo der Berliner Orient liegt. Daniel Bax

Heute und morgen ab 21.30 Uhr, Sonntag 16 Uhr im Tempodrom,

In den Zelten, Tiergarten

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