■ Vorschlag: Freie Sicht bis zum Beckenbereich!
Vorschlag
Freie Sicht bis zum Beckenbereich!
Seit Jahren galt im Kreuzberger Prinzenbad die Wiese hinter den Pappeln als Nacktenecke. Es gab keine Schilder, die irgend etwas regelten, es gab einfach nur Leute, die mehr oder weniger anhatten. Manchmal kamen Kids vorbei, die ihre Eltern scheinbar nie nackt sehen. Bei zu langen Anatomieforschungen wurden diese schon mal von den Nackten verscheucht, ohne großen Streß. Seit Anfang August versperrt ein Lattenzaun die Sicht. Quer über die Nudistenwiese schlängelt sich das fest verankerte Ding. Nackt Tischtennis spielen ist ab sofort verboten. Nicht nur das: Vor dem Zaun darf laut Schild keiner nackt sein, dahinter nicht angezogen.
Der Zaun muß weg, meinen viele, manche Nackte finden ihn aber auch gut, verlangen gar eine Verlängerung gegen kichernde Kinder. Ich selbst machte den Test und legte mich nackt an die gleiche Stelle wie immer – vor dem Zaun. Der Wachschützer kam und machte darauf aufmerksam, daß dies verboten sei. Na und? Er werde den Chef des Bades holen. Zurück, erwies sich der Prinz als einfacher Bademeister. „Sie müssen sich was überziehen oder hinter den Zaun!“ Nöö! „Ich erteile Ihnen Hausverbot“, blökte der Schutzmann.
Laut Pressesprecher der Berliner Bäder Betriebe (BBB), Werbespruch: „Da geh' ich baden“, wurde die „Spanische Wand“ auf Initiative einiger Nudisten errichtet. Es habe Beschwerden über „provozierende Spanner“ gegeben. Auch von „moslemischer Seite“ sei der Zaun begrüßt worden. Hausverbote hält der Bädersprecher aber für übertrieben.
Der nächste Schritt müßte nun eigentlich ein abgetrennter Bereich für Barbusige sein. Später könnte man weiter parzellieren für Leute mit großen oder kleinen Geschlechtsteilen, rasierten Achsel- oder Schamhaaren und einer Basarcorner für Verschleierte. Auch eine Art Darkroom wäre denkbar. Und was passiert im Beckenbereich? Kann man es nach Abschaffung des Badekappenzwangs wirklich erlauben, daß Frauen ohne BH sich im Wasser rekeln? „Die Mauer muß weg“, sagt Stammgast H. „200 Mark für 'ne Halbjahreskarte, und jetzt lieg' ich hinterm Bretterverschlag, nee.“ Andreas Becker
Nachschlag
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