■ Vorschlag: Solo Sunny im Filmmuseum Potsdam
Der Himmel hängt voller Sterne. „Holen Sie sich doch mal einen Stern vom Himmmel!“ sagt eine freundliche Aufsicht, und tatsächlich: Die Sterne sind mit langen Spiralketten in der Decke verankert, zieht man sie zu sich hin, so entdeckt man auf einer Seite das Bild eines DEFA- oder Ufa-Stars, auf der anderen die dazugehörige Biographie. Das ist nicht das einzige hübsche Detail, mit dem das Filmmuseum im ehemaligen Marstall von König Friedrich Wilhelm I. aufwartet. Ein Zimmer ist den Expressionisten im deutschen Film der 20er und frühen 30er Jahre gewidmet, die Dekoration erinnert an „Das Kabinett des Dr. Caligari“ und „Dr. Mabuse“. Vom kleinen, vierreihigen Kino im Obergeschoß aus, über dessen Bildschirme ausgesuchte Sequenzen aus DEFA- und Ufa-Hits wie „Solo Sunny“ oder „Der Kongreß tanzt“ flimmern, kann man in Marlene Dietrichs Schminksalon lugen. Man schlängelt sich durch ein Spiegelkabinett mit Filmfiguren, irgendwo dudelt „Meine Freundin ist schön, als ich aufstand, ist sie gegangen“ aus „Die Legende von Paul und Paula“ von Heiner Carow. In einem anderen Kino im Kino laufen Propagandafilme aus dem Dritten Reich, daneben ein Raum mit Fotos, Lebensläufen und Hintergrundinformationen über die betroffenen KünstlerInnen, über Flucht und Zensur.
Das Filmmuseum versucht seit 1981 durch ständige Ausstellungen (seit 1994 u.a. die „Filmstadt Babelsberg“), bemerkenswerte Filmreihen und als Austragungsort der Potsdamer Filmfestspiele Anziehungspunkt für Filmliebende und Sanssouci-Besucher zu werden. Es verwundert, daß aus Berlin, wo sich jedes Jahr die Berlinale- Fans auf die Füße treten, nicht mehr Interessierte die paar S-Bahn- Minuten in Kauf nehmen, um eine der liebevollsten und umfassendsten Ausstellungen zur deutschen Filmgeschichte zu genießen. Aber das nächstemal, wenn aus Westdeutschland angereiste Verwandte partout auf einem Sanssouci-Besuch bestehen, sollte man die Tante einfach ins Schloß schicken und sich solange Fritz Langs „Die Frau im Mond“ mit Live-Orgelbegleitung anschauen. Jenni Zylka
Filmmuseum Potsdam, Marstall 1, 14474 Potsdam, Tel. (0331) 271810, Di.–So. 10–18 Uhr Sonderausstellung: Götz George – Beruf: Schauspieler (bis 22.3.). Täglich wechselndes Filmprogramm, heute u.a.: Gullivers Reisen (USA 1939), Happy Together (Hongkong 1997), Herrenpartie (BRD 1963)
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