■ Vorschlag: „Headless Body in Topless Bar“ von James Bruce im Eiszeit-Kino
Ein Mann kommt in eine Bar, trinkt ein Glas Black Label, zeigt dem Barmann seine Waffe und verlangt sodann die Kasse. Die Go- go-Tänzerin (Jennifer McDonald) hört auf zu tanzen: Auf tritt der Gewalttäter als Zeremonienmeister. Basierend auf einer True Crime Story konstruiert Drehbuchautor Peter Koper – der seine prägenden Filmerfahrungen bei John Waters machte – den Rotlicht- Überfall um Mitternacht zu einem russischen Roulette um Komplizenschaft, Seelenstriptease und gemeine Machtspielchen. „Körper ohne Kopf in Oben-ohne Bar“ titelte die New York Post nach dem authentischen Fall.
Der klaustrophob und bühnendramatisch inszenierte Independent-Streifen von Regisseur James Bruce exerziert die Schlagzeile nun detailfreudig und mit allen Implikationen durch. Keiner darf gehen, Tür zu, Licht aus, Musicbox an. Die Hölle, das sind in diesem Fall sowohl der Bösewicht als auch die anderen. Denn der Verbrecher hat mehr drauf als bloß Rumballern und Leute-Ausrauben. Nach mehr als einem Jahrzehnt Strafvollzug kennt er sich aus mit den Finessen der Gruppentherapie. Nun zwingt er seine Geiseln zu einer grotesken Bekennerrunde, genannt „Nazi-Verhör“.
Da entpuppt sich der schnieke Anwalt (David Selby) natürlich schnell als perverser Latexfreund, der alte Mann im Rollstuhl (Paul Williams) erzählt Morbides von seinem Hund und seinen körperlichen Gebrechen, und die Stripperin darf sich die ganze Zeit über nichts anziehen. Während also alle schön brav auf den Stühlen im Kreis herumsitzen, hüpft der Ex-Sträfling (Raymond J. Barry) wie ein Nicolas-Cage-Darsteller umher und peinigt seine Opfer mit hintersinnigen Winkelzügen.
Fast in Echtzeit gedreht, ist die Geschichte vor allem ein forciertes Planspiel um das Faszinosum Gewalttäter. Irgendwo spuken auch noch ein paar „ghosts of the civil dead“ herum, aber die sieht keiner, Bruce setzt auf realitätsnahe Drastik. Und die kann zuweilen auch mal unfreiwillig komisch sein. Gudrum Holz
Heute, 23 Uhr im Eiszeit-Kino 2; Zeughofstraße 20, Kreuzberg
Regie James Bruce, mit Raymond Barry, USA 1995, 101 Minuten
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