■ Vorschlag: Im Tempodrom erinnern sich Renft & Co an Gerulf Pannach
Let's talk about the G.D.R. Das so schön mickrige Land ist verschwunden – die Zahl seiner Toten wächst. Heiner Müller, Gerulf Pannach, Tamara Danz, Klaus Piontek, Marianne Wünscher, Gerhard Gundermann... Die Reihung ist so uneben wie unheimlich, ja gruselig, wie „Ava Adore“, wie zerschmetterte Kürbisse. Als hätten die einem doch so vertrauten Leute alle nicht mehr gewollt. Dabei hat eine „andere Band“ (Sandow) doch früher gebrüllt: „Born in the G.D.R.“, Mann! Pflanzt man alte Bäume nicht um? Gibt man auf diese Art auf? Ist das hier schon Mystifizierung?
Irgendwann wird man denken, daß es die DDR vielleicht nie gegeben hat. Der starr-sachliche Blick von westlichen Historikern, Ethnologen und Hobby-Ethnologen macht es einen schon jetzt glauben. Die Interessen der Hinterbliebenen des werten dahingeschiedenen Staates indes verkehren sich, weil das Begehren sich immer auf das richtet, was man nicht (mehr) besitzt. Statt Allman Brothers jetzt eben Renft. Die DDR war schön. Die DDR war – metaphorisch gesprochen – Ornament & Verbrechen, war auch „badusan“, Frank Schöbel und „Bambina“.
Über Renft muß man selbst an diesem Ort nicht mehr viele Worte verlieren. Gerulf Pannach, Autor von Songs wie „Als ich ein Vogel war“ und der „Ballade vom kleinen Otto“, starb Anfang Mai an Krebs, mit 48 Jahren. Das ist nicht mehr jung und noch nicht alt. Vom Leben hat Pannach – ein Konfliktstoff in der Band – viel erwartet und noch mehr bekommen, nicht unbedingt das Bequemste. Die Abfolge aus Radio-DDR-Hitparade, Auftrittsverbot, Landesverweis und Legendenbildung werten die Rest-Renftler heute in ihrer Konzertankündigung als „Erfolgs“geschichte. Auch eine Art des schönen Verlierens. Das Abschiedskonzert für Gerulf Pannach wird wohl voll werden, dazu unwirklich und melancholisch. Veronika Fischer, die man früher so schön und zickig fand, wird vielleicht „Auf der Wiese“ singen. „Auf der Wiese haben wir gelegen / und wir haben Gras gekaut / folgen wollt' er mir auf allen Wegen / Blumen hat er mir geklaut.“ Vorbei. Hans-Jürgen Beyer kommt, der in seinen Leipziger Tagen als Renft-Sänger auf den Knien rockte und später auf Schlagersänger umstieg. Die Engerlinge, Angelika „Ich wünsch' mir ein Baby sehr“ Mann und die Puhdys werden dasein. Warum, was verband die Puhdys schon mit Pannach und Renft? Wenn man altert, handhabt man alle möglichen Gründe großzügiger. Der Ertrag des Konzerts geht an die Familie Pannach. Anke Westphal
„Ade – Gerulf Pannach“, um 19.30 im Tempodrom (In den Zelten)
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