piwik no script img

■ VorschlagMaßlos (verliebt, verarscht usw.): Mai Horlemann im Hoftheater

Nicht jede Chansonette muß unbedingt in die Rolle der theatralische Diva oder romantisch-verklärten Liebesdienerin schlüpfen. Wenn Mai Horlemann im obligatorischen Diseusenschwarz auf die Bühne tritt, lockt sie noch einen Moment diese Erwartung, singt ein bißchen von Herzeleid und Liebesschmerz, aber dann ist auch Schluß mit lustig und Klischee. Denn immer wieder führt die kühle Schönheit mit ihrem herben Charme aufs Glatteis. Da ist die Chanteuse mit einem Male viel mehr satirische Kabarettistin denn artig singende Tingeltangeldame. Die Themen liegen nahe: der Pickel im Gesicht, Stuhlgangprobleme, die stete Unordnung in der Wohnung oder das unendliche Warten auf dieser Welt: vor Ladenkassen, auf das große Glück und auf den Bus.

Auch musikalisch geht Mai Horlemann in ihrem nunmehr dritten Soloprogramm eher Chanson-untypische Wege. Eingängige Popmelodien mit einem Hauch Blues scheinen ihr mehr zu liegen als die hochdramatische, künstlich-kunstvolle Komposition. Ihre Lieder (souverän und abwechslungsreich vertont von ihrem Pianisten Simon Höneß) sind kleine Alltagsdramen vom Leben mit- und gegeneinander. Sanft schmiegt sie ihren Kopf ins Samtkissen, doch statt Ruhe findet sie nur Lärm von Nachbarn und Handwerkern. „Tötet alle Bauarbeiter“, entfährt es ihr mit lauter Stimme – und blickt aufs Gerüst. Denn der Ort von Mai Horlemanns und Simon Höneß' Auftritt liegt idyllisch, ist ganz open air und zugleich auch eine Baustelle: ein Hinterhof in Mitte, gleich um die Ecke von den Hackeschen Höfen. Die Fassade des Vorderhauses frisch eingerüstet, eine bunte Lichterkette quer über die Tische und Stühle gespannt. Inzwischen kämpft Mai Horlemann mit ihrer Vergeßlich- und Schusseligkeit (“Wo sind meine Zigaretten? Wo lag noch mein Interesse? Und wo ist der Sinn?“) und ertappt sich dabei, wie sie dem Aberglauben sicherheitshalber doch ein wenig Glauben schenkt. Ein bißchen Glück kann sie ja vielleicht wirklich gebrauchen, zumindest, was das Wetter betrifft-... Axel Schock

Bis 23.8. Fr., Sa. 20 Uhr, So. 19 Uhr, Hoftheater „Anna Koschke“, Krausnickstr. 11, Mitte

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen