■ Vorschlag: „Ship From The Desert“: junge amerikanische Künstler in Potsdam
Monumental steht es da, verhüllt mit einem gelben Gaze-schleier, ein Ungetüm über Holzgräten. Ist es das Klettergerüst eines Abenteuerspielplatzes aus „Mad Max4“? Ein verhülltes Dinosaurierskelett? Die Rekonstruktion eines Schiffswracks? Der Titel der Ausstellung ist durchaus metaphorisch zu verstehen, und er paßt zum Veranstaltungsort. „Ship From The Desert“ findet in einer Maschinenhalle in der Potsdamer Schiffbauergasse statt.
Die Werkräume des alten Gaswerks werden derzeit restauriert, und parallel zum Hämmern und Bohren der Bauarbeiter sind sechzehn Künstler des „Moorings Project“ aus Santa Fe darangegangen, den Ort zu erforschen. Während ihres vierwöchigen Arbeitsaufenthalts in Deutschland versuchten sie, Fundstücke der Räume zu kommentierenden Installationen zusammenzusetzen. Daraus entstand eine filigrane Komposition aus unterschiedlichen Sparten zeitgenössischer Kunst, satellitengleich um das raumhohe Gerippe angeordnet, das die vier Künstler von SIMPARCH gestaltet haben.
Da sind die Installationen von T.A.B.I., aufeinandergestapelte Würfel, gezimmert aus gefundenen Schildern und Platten, bemalt und beschriftet mit assoziativen Sinnfragmenten, deren unzählige Kombinationsmöglichkeiten auf Fotografien an der weiß gekalkten Wand zu besichtigen sind. Da sind die Miniaturen von Jon McConville, in Gießharz gegossene Abbildungen und Lagepläne des Geländes, funkelnd und irritierend wie Bernsteineinschlüsse. Da sind die Fotografien von Heather Rogers, die sich die postindustriellen, postsozialistischen Räume der Alten Welt durch den Sucher ihrer Kamera aneignete. Bilder, die dem Blick auf erstaunlich leichte Weise die Welt entziehen, statt ihrer Versicherung zu dienen.
Die Potsdamer Ausstellung ist so etwas wie ein Testballon für die Arbeit des „Moorings Project“ in Santa Fe. Denn unter der Regie des Centre for Contemporary Arts entsteht dort auf einer monumentalen Zementfläche mitten in der Wüste New Mexicos ein Kunst-Dock, das Besuchern aus der Zukunft einen Einblick in gegenwärtige Befindlichkeiten erlauben soll – eine Ausstellung von Fundstücken bzw. Reliquien einer vergangenen Zivilisation. Nächstes Jahr schon möchte Zane Fischer von „PlanB Evolving Arts“ in Santa Fe dieses Dock einweihen. Doch „Ship From The Desert“ ist mehr als eine Fingerübung: Wie eine neue „Mayflower“ ist das US- Projekt in den Ruinen der sozialistischen Schwerindustrie angelandet, um aus diesem Wechsel eine Perspektiven auf den Zustand unserer Zeit zu werfen. Rainer Untch
Noch bis 4.10., Di–So 14–20 Uhr, Maschinenhalle in der Schiffbauergasse, Potsdam
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