Vorschlag des Berliner Innensenators: Leichter zum Bleiberecht
Berlins Innensenator Körting will langjährig Geduldeten zu sicherem Aufenthalt verhelfen. Er wagt einen Vorstoß bei Ministerkonferenz.
Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) will sich für eine vereinfachte Bleiberechtsregelung für langjährig geduldete Flüchtlinge einsetzen. "Ich werde auf der Innenministerkonferenz in der kommenden Woche vorschlagen, dass wir die Regelung ändern", sagte Körting der taz. Nach seiner Vorstellung sollen nicht nur die Flüchtlinge ein Bleiberecht erhalten, die ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können, wie es bislang vorgesehen ist. "Ein Bleiberecht sollen auch die bekommen, die sich ernsthaft um ihren Lebensunterhalt bemühen und dies nachweisen können", sagte Körting.
Die Bleiberechtsregelung wurde 2006 zunächst von der Innenministerkonferenz und im Jahr darauf in ähnlicher Form von der Bundesregierung verabschiedet und von beiden als Richtungswechsel gefeiert. Integrationswillige AusländerInnen, die lange Jahre lediglich mit einer Duldung und Angst vor Abschiebung in Deutschland gelebt hätten, würden nun die Chance auf eine sichere Existenz hierzulande bekommen. Von den 110.000 langjährig Geduldeten könnten 60.000 von der Regelung profitieren, hieß es.
Die Realität sieht anders aus: Ende Februar hatten zwar immerhin 35.000 Menschen eine Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsregelung bekommen, 80 Prozent von ihnen allerdings nur "auf Probe". Denn sie konnten eine wichtige Bedingung für das Bleiberecht bislang nicht erfüllen: Sie konnten ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten. Sollte dies Ende des Jahres immer noch der Fall sein, verlieren sie nach der derzeit geltenden Regelung das Bleiberecht wieder.
Kirchen und Wohlfahrtsverbände, Flüchtlingsorganisationen und Integrationsbeauftragte, Grüne und Linke machen sich deshalb seit langem für eine Reform der Regelung stark. Die Bedingungen seien zu strikt und in Zeiten der Wirtschaftskrise kaum erfüllbar, so die Kritik.
Ähnlich sieht es nun auch der Berliner Innensenator. "Ein erheblicher Teil der Betroffenen wird die Bedingung in absehbarer Zeit nicht erfüllen können", sagte Körting mit Blick auf die Wirtschaftskrise. Aber man könne Menschen, die sich nun seit mehr als acht Jahren in Deutschland aufhalten und hier integriert sind, auch nicht einfach abschieben. Körting glaubt nicht, dass eine Verlängerung der Frist um ein Jahr, wie sie bereits ins Gespräch gebracht worden war, etwas ändern würde. Schließlich werde sich die Krise im kommenden Jahr erst recht auf dem Arbeitsmarkt niederschlagen, so der Senator.
Körting geht davon aus, dass seine SPD-Kollegen den Vorschlag unterstützen werden. Allerdings müsste er auch die Innenminister der Union für seine Pläne gewinnen. Und da sieht es nicht gut aus. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist zwar bewusst, dass die Wirtschaftskrise die Bedingungen für die Betroffenen verschlechtert hat. "Es liegen", so ein Sprecher des Ministeriums, "derzeit jedoch keine Zahlen vor, aufgrund derer man verlässlich abschätzen könnte, wie viele der derzeit gültigen Aufenthaltserlaubnisse auf Probe Ende des Jahres dank eigenständiger Sicherung des Lebensunterhalts verlängert werden können." Daher wäre ein gesetzgeberisches Handeln "zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfrüht". Nach der Bundestagswahl aber werde das Ministerium prüfen, ob die Veränderung der rechtlichen Grundlage oder eine Verlängerung der Probezeit notwenig ist.
Aus Sicht von Flüchtlingsinitiativen aber ist es wichtig, dass möglichst schnell gehandelt wird, um den Betroffenen die Angst vor der Zukunft zu nehmen. Ein Regelung, wie Körting sie vorschlägt, sei sinnvoll, meint Bernd Mesovic von Pro Asyl: "So bekämen mehr Menschen die Chance, ein Bleiberecht zu bekommen."
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