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■ VorlaufDer Mond von Wanne-Eickel

„Die Welt ist schön, Milord!“, WDR, 22.30 Uhr.

Ernst Bader hat im Laufe seines Lebens 600 Schlagertitel getextet und komponiert, die meisten davon während der fünfziger Jahre. Damals, während der Aufbruchjahre des neuen demokratischen Deutschland, hatte er wie kein anderer seinen Finger am Puls der Zeit. Auf ihn gehen Klassiker wie Freddy Quinns „Heimweh“ zurück, „Der Mond von Wanne-Eickel“ von den Cyprys, auch Dalidas „Am Tag als der Regen kam“. Einer der größten kulturellen Exporte in die Niederlande der Nachkriegsjahre ist auf seinem Piano entwickelt worden: das sentimentale Frühlingsliedchen „Tulpen aus Amsterdam“ stammt von Ernst Bader, dem „Kabarettisten der Namenlosen“.

Heute lebt er in einem Altenheim in Norderstedt bei Hamburg. Peter Weymar hat über den in Stettin gebürtigen „Schlagermacher“ ein dreiviertelstündiges Porträt gedreht. Der Titel ist mit Bedacht gewählt, er bezieht sich auf das Motto, das der Porträtierte seinem Leben selbst gibt: „Das Leben ist doch schön.“ Der Autor muß gar nicht viel tun, um aus dem 82jährigen den Stoff herauszubekommen, den er für sein Porträt braucht: Bader erzählt selbst ganz gerne.

Über die Zeit, als die Deutschen wieder feiern lernten, und wie er sich „sehr schuldig gefühlt“ hat. Dazu gibt es Bilder, die nicht nur den Texter zeigen, wie er heute lebt, nämlich als geliebter Unterhalter in seinem Heim, sondern auch Ausschnitte aus alten TV- Sendungen, Archiven und Wochenschauen. Rührend die Aufnahmen von Baders Ausflug zu einem seiner alten Auftrittsorte, an der Großen Freiheit in Hamburg, dort, wo heute eine fünftklassige Stripshow angesiedelt ist und wo Bader Ende der vierziger Jahre Kabarettprogramme vortrug.

Es ist ein Film, der den deutschsprachigen Schlager auf der Höhe seiner Kunst zeigt, viele Jahre, bevor deutsch singen mit niveaulos gleichgesetzt wurde: Baders Beiträge zur Alltagskultur der einfachen Leute mögen schlicht gewesen sein, aber trotzdem nicht dumpf – eher witzig, treffend und aktuell. JaF

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