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■ VorlaufDer Vietnamkrieg im „fast forward“

„Spiegel TV: Welche Farbe hat der Krieg? – Das Inferno von Vietnam“, So., 23 Uhr, Sat.1

Der französische Dokumentarist Danielle Costelle hat in den Archiven des US-Militärs recherchiert und bisher unveröffentlichtes Material über den Vietnamkrieg gesichtet. Die zweieinhalbstündige historische Dokumentation, die er daraus machte, zeigt keine sensationellen neuen Bilder des Krieges – aber doch interessante Innenansichten.

Und man sieht, was die US-Militärs nicht zeigen wollten: die Fratze des Krieges, den sogenannten body count. Freilich leidet die Dokumentation darunter, daß er die Bilder nicht kennzeichnet. Wer die Bilder warum gedreht hat, warum sie bisher nie gezeigt wurden – all das bleibt ein Rätsel. Eine vertane Chance: Dreißig Jahre nach dem Vietnamkrieg wäre es Zeit für eine Bilder-Archäologie.

„Spiegel TV“ hatte die unselige Idee, jene Dokumentation zu einem dreißigminütigen Feature einzudampfen – gewissermaßen der Trailer zu einem Film, den wir nicht sehen können. Wir sehen den Vietnamkrieg im fast forward. Auch der Kommentar eilt im Sauseschritt durch die Ereignisse: Gerade landen noch US-Berater in Vietnam, schon eskaliert der Konflikt durch die Inszenierung eines nordvietnamesischen Angriffs im Golf von Tonking, flugs sind wir in My Lai, am Ende kippen US-Hubschrauber von Flugzeugträgern ins Meer. Goodbye, Vietnam. Der Kommentar versucht möglichst viele Informationen zu liefern – dazu Zitate aus Briefen von GIs, die uns einen emotionalen Zugang verschaffen sollen. Leider befiehlt die dramaturgische Logik von „Spiegel TV“, daß diese Textlastigkeit durch unterhaltende Elemente ausgeglichen werden muß. So dröhnt im Hintergrund unentwegt fettiger Synthesizer-Sound. Schlimmer noch ist, daß die Bilder in stakkatohafter Geschwindigkeit präsentiert werden. Es müßte darum gehen, die Bilder aus der historischen Distanz zu lesen. Hier rauschen sie nur. „Spiegel TV“ will Costelles Material übrigens bei Vox demnächst in einer zweistündigen Version inklusive Diskussion vorstellen. Hoffen wir auf Besserung. Stefan Reinecke

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