Vorgezogene Wahl in Grönland: Neustart ins Ungewisse
Die halbautonome Insel ist reich an Bodenschätzen. Doch die Jungen wandern aus, viele Politiker sind korrupt. Die Neuwahl soll Stabilität bringen.
KOPENHAGEN afp | Eineinhalb Jahre nach den jüngsten Parlamentswahlen gehen die Grönländer wieder an die Wahlurnen. Ein Skandal um die erste Frau an der Spitze der Regierung des autonomen dänischen Arktisgebiets, Aleqa Hammond, machte die vorgezogenen Neuwahlen heute nötig. Hatte die Sozialdemokratin im Frühjahr 2013 noch mit einem nationalistischen Wahlprogramm für eine Unabhängigkeit Grönlands punkten können, geht der Wahlkampf diesmal etwas ruhiger zu. Im Wettbewerb um die beste Strategie für eine wirtschaftlich bessere Zukunft sind die Sozialdemokraten in den Umfragen allerdings von links überholt worden.
„Das Thema der letzten Wahl lautete vor allem: Wie kommen wir voran Richtung Unabhängigkeit?“, sagt Ulrik Pram Gad, Grönland-Experte an der Universität von Kopenhagen. „Bei dieser Wahl geht es bodenständiger zu. Alles dreht sich um Wirtschaftspolitik.“ Hammond wollte das Land mit der Ausbeutung der zahlreichen Rohstoffe im Arktisboden unabhängig machen von den Subventionen aus Dänemark. Mit jährlich 3,3 Milliarden Kronen (fast 450 Millionen Euro) steuert die ehemalige Kolonialmacht fast ein Viertel von Grönlands Budget bei.
Doch die Vergabe der ersten Bergbaulizenz für die Förderung von Eisenerz an ein britisches Unternehmen gilt ein Jahr später als Enttäuschung. Wegen der schwachen Weltmarktpreise und der Ebola-Epidemie im westafrikanischen Sierra Leone ist dem Unternehmen London Mining die Luft ausgegangen. Auch die Vergabe weiterer Bergbaulizenzen kommt wegen der schwachen globalen Rohstoffnachfrage nicht voran.
Als besonders umstritten, weil potenziell schädlich für Grönlands einzigartige Natur, gilt der geplante Uranabbau. Hammonds Regierung hob ein Verbot der Uranförderung ungeachtet von Protesten auf. Im Süden der Insel soll eine der größten Uranminen der Welt entstehen. Sara Olsvig von der links-oppositionellen Partei Inuit Ataqatigiit (AI) will das unbedingt verhindern.
Grönlands Jugend wandert aus
In jüngsten Umfragen lag die AI knapp vor der sozialdemokratischen Siumut. Bei der Regierungsbildung könnte deshalb der neugegründeten, populistischen Partei von Ex-Regierungschef Hans Enoksen eine Schlüsselrolle zukommen. Die Siumut wird angeführt von Kim Kielsen, der auch vorübergehend die Regierungsgeschäfte von der gefallenen Hammond übernahm. Der angesehene ehemalige Polizist will Schluss machen mit Korruption und Selbstbereicherung, die Grönlands Politik seit der Teilunabhängigkeit im Jahr 1979 plagen.
Hierbei könnte Kielsen Unterstützung von der internetaffinen Jugend bekommen. Im September stellte eine parlamentarische Untersuchungskommission fest, dass Ministerpräsidentin Hammond für umgerechnet 14.300 Euro aus dem Staatshaushalt Flüge für Verwandte gekauft und private Hotelrechnungen für die Mini-Bar bezahlt hatte. Auf dem sozialen Internetnetzwerk Facebook artikulierte sich ein wütender Protest. In der Hauptstadt Nuuk gab es Demonstrationen, die schließlich zu Hammonds Rücktritt führten.
So kommen dem Internet und der Jugend eine wichtige Rolle bei der Modernisierung Grönlands zu. Doch die Bevölkerung von rund 57.000 Einwohnern wird immer älter. Jugendliche, die zum Studieren nach Dänemark gehen, kommen wegen der besseren Aussichten in Kontinentaleuropa oft nicht mehr zurück. Zuletzt war die Abwanderung so hoch wie seit 20 Jahren nicht mehr. In Grönland gilt es, noch eine Menge Schwierigkeiten zu lösen, bevor die Unabhängigkeit wieder zum alles bestimmenden Wahlkampfthema werden könnte.
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