Vor der Wahl in Pakistan: Bhuttos Sohn soll es richten
Weil der Ehemann der getöteten Oppositionellen Bhutto zu unbeliebt ist, ernennt die Volkspartei ihren 19-jährigen Sohn zum Vorsitzenden. Mit ihm will sie an den Wahlen teilnehmen.
Benazir Bhuttos einziger Sohn Bilawal soll neuer Führer der Pakistanischen Volkspartei (PPP) werden. Ihm zur Seite wird sein Vater Asif Ali Zardari gestellt, wie ein Parteisprecher mitteilte. Zudem will die Partei an den bisher noch für den 8. Januar geplanten Parlamentswahlen teilnehmen, wie das Exekutivkomitee am Sonntag am Familiensitz der Bhuttos in Naudero in der südlichen Provinz Sindh entschied. Der 19-jährige Bilawal verlas dort das Testament seiner am Donnerstag ermordeten Mutter.
Bhuttos Ehemann Zardari, der in Pakistan wegen seiner Korruption "Mister Zehn Prozent" genannt wird und bereits zehn Jahre im Gefängnis saß, ist zu korrupt und zu unbeliebt, um ihm allein die Führung zu übertragen. Die wichtigsten Entscheidungen dürfte er trotzdem fällen, da der Sohn weiter studieren möchte. Zardari war in der letzten Regierung seiner Frau bereits Minister und später Senator. Der Sohn Bilawal, der Freunden zufolge nicht Nachfolger seiner Mutter werden wollte, studiert im ersten Semester Jura an der britischen Universität Oxford. Dort hatte bereits seine Mutter studiert.
Benazir Bhutto war Parteichefin auf Lebenszeit gewesen und hatte das Amt von ihrem Vater, dem einstigen Premierminister Zulfikar Ali Bhutto geerbt, der 1979 hingerichtet worden war. Damit bleibt die 1968 gegründete größte Partei des Landes weiter unter dynastischer Führung. Die Wahl fiel auf Bilawal als ältestes der drei Kinder. Bhuttos in London lebende Schwester wollte auf keinen Fall in die Politik, und ihre zwei Brüder sind bereits tot. Der eine wurde von der Polizei erschossen, der andere starb unter mysteriösen Umständen in Frankreich.
Trotz der Entscheidung der Volkspartei, an der Wahl teilzunehmen, ist eher unwahrscheinlich, dass diese am 8. Januar stattfinden wird. Am Montag will die Wahlkommission zu einer Sondersitzung zusammenkommen und auch über den Termin entscheiden. Bei Unruhen wurden in den vergangenen Tagen Wahlbüros und Wahlunterlagen zerstört. Am Sonntag sprach sich ein führendes Mitglied der Präsident Pervez Musharraf unterstützenden PML-Q für eine Verschiebung um mehrere Wochen aus. Die zweite Oppositionspartei, die PML-N von Nawaz Sharif, hatte sich direkt nach Bhuttos Ermordung, für einen Boykott entschieden. Gestern hieß es aber, die PML-N sei zur Teilnahme bereit, wenn die PPP auch mitmache.
Während der PPP-Versammlung drängten sich vor dem Haus der Bhuttos mehrere tausend Anhänger der ermordeten Politikerin. Sie bezeichneten in Sprechchören Präsident Musharraf als "Mörder". Manche forderten gar die Loslösung der Provinz Sindh von Pakistan. Die PPP beschloss, die Vereinten Nationen um eine Untersuchung des Attentats zu bitten. Die Partei hat Zweifel an der offiziellen Version, wonach lokale Taliban mit Verbindungen zu al-Qaida die Täter gewesen sein sollen.
Unterdessen starben auch drei Tage nach dem Attentat bei Ausschreitungen in Sindh, dem Kernland der Bhutto-Anhänger, mehrere Menschen. Seit Donnerstag kamen damit bei Zusammenstößen mehr als 40 Menschen ums Leben. Insgesamt habe sich die Lage aber etwas beruhigt, so die Polizei. In allen größeren Städten in der Provinz patrouilliert inzwischen das Militär. In der Provinz Punjab kamen am Sonntag zwei mutmaßliche Selbstmordattentäter ums Leben, als ihre Sprengsätze vorzeitig detonierten. Die beiden Männer waren nach Angaben der Polizei auf Motorrädern vermutlich auf dem Weg zum Haus von Ijaz-ul-Haq, eines Führers der Musharraf-treuen PML-Q-Partei.
Dominiert wurden die vergangenen Tage von Schuldzuweisungen. Dabei wich die US-Bundespolizei FBI von ihrer ursprünglichen Erklärung ab, wonach al-Qaida für den Mord an Bhutto verantwortlich sei. Dafür gebe es keine bestätigten Berichte. Pakistans Regierung hingegen hält daran fest, ein Telefonat des Islamistenführers Baitullah Mehsud abgehört zu haben, in dem er seinen Männern zum erfolgreichen Anschlag gratuliert habe. Mehsud führt im Grenzgebiet zu Afghanistan eine Pro-Taliban-Miliz und wird von der Regierung al-Qaida zugerechnet.
Ein Sprecher von ihm wies die Vorwürfe als "Regierungspropaganda" zurück. Mehsud folge den strengen Sitten seines Stammes und würde niemals eine Frau attackieren. Regierung und der Geheimdienst ISI steckten hinter dem Anschlag. Das abgehörte Telefonat sei ein "Hörspiel". Doch bereits vor Bhuttos Rückkehr nach Pakistan im Oktober hatte Mehsuds Miliz damit gedroht, die Politikerin "mit Selbstmordanschlägen zu empfangen". Daher gehen die meisten Beobachter davon aus, dass der Anschlag auf das Konto islamistischer Extremisten aus dem Umfeld von Mehsud geht.
Doch sorgte die Regierung mit dem offensichtlichen Versuch, den Vorwurf unzureichender Sicherheitsmaßnahmen für Bhutto von sich zu weisen, für Verwirrung. Im offiziellen Bericht über die Todesursache hieß es, Bhutto sei an Schädelbruch gestorben. Den habe sie sich zugezogen, als sie durch die Wucht der Bombenexplosion gegen einen Hebel am offenen Schiebedach ihres Autos geprallt sei. Die PPP nannte das "gefährliche Irreführung" der Öffentlichkeit. Parteisprecherin Sherry Rehman sagte, sie habe das Ein- und das Austrittsloch der Kugel in Bhuttos Kopf beim Waschen der Leiche selbst gesehen.
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