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Vor der Präsidentschaftswahl in BurundiSpiel mit dem Feuer

Ganz Ostafrika hat Angst, dass Burundis umstrittene Wahl die Region in eine neue Gewaltspirale stürzt. Alle Seiten rüsten sich für einen Krieg.

Kabarore, Provinz Kayanza: Bewaffnete Sicherheitskräfte bei einer Wahlveranstaltung am 17.07.2015 Foto: Simone Schlindwein

BUJUMBURA taz | Es wird einsam um Pierre Nkurunziza. Als der burundische Präsident bei seiner letzten Wahlveranstaltung am Freitag auf der Bühne steht und winkt, fehlen um ihn herum seine engsten Generäle, die mit ihm vor zehn Jahren als Rebellenchefs an die Macht gekommen waren. Dazu gehörten der gefürchtete Adolphe Nshimirimana, bis vor Kurzem Geheimdienstchef, und Alain Guillaume Bunyoni, einstiger Polizeichef. Sie hatten bei den letzten Wahlen 2010 noch mit Nkurunziza getanzt und gefeiert. Jetzt steht der Präsident allein da, mit einem Hirtenstab, an dem drei Luftballons baumeln, und wirkt irgendwie fehl am Platz.

Die Wahlkampfveranstaltung findet in der nördlichen Provinz Kayanza statt, im kleinen Ort Kabarore zwischen Hügeln und Maniokfeldern. Eine Woche vorher hat es dort angeblich Gefechte zwischen der Armee und mysteriösen Rebellen gegeben. Doch von Gefahr ist dem Präsidenten nichts anzumerken. Ein paar Militärs und Polizisten mit Maschinengewehren, Dutzende Geheimdienstler in Zivil mit Sonnenbrillen: Im Vergleich zum Truppenaufmarsch bei den Wahlen vor fünf Jahren ist das relativ lax.

Der Präsident trägt Jeans und T-Shirt, seine Augen versteckt er hinter einer verspiegelten Sonnenbrille. Er gibt sich als einfacher Mann des Volkes. Anstatt lange Reden zu schwingen, spielt er am nächsten Tag lieber Fußball mit seinen Anhängern. Zu sagen hat er ohnehin nicht viel. Fünf Mal wiederholt er in Kabarore sein Versprechen von Frieden und Sicherheit, damit er 20 Minuten voll kriegt. Die paar tausend Zuhörer klatschen nach Aufforderung.

Nkurunziza weiß, warum er lieber ohne seine alten Gefährten vor das Volk tritt: Sie sind der Grund, warum im April und Mai die Massen auf die Straßen gingen und gegen seine dritte Amtszeit demonstrierten. Sie sind der Grund, warum Teile der Armee im Mai einen Putsch versuchten. Viele Burundier haben die Mafia-ähnliche Clique um den Präsidenten satt. Denn auch wenn die Ex-Rebellen der CNDD-FDD (Nationalkomitee/Kräfte zur Verteidigung der Demokratie) 2003 bei der Unterzeichnung des Friedensvertrags und dem Eintritt in Burundis Regierung erklärten, sie seien jetzt eine politische Partei, besteht die verschworene Kriegergemeinschaft fort.

Berüchtigter Umschlagplatz

Seit ihrer Machtergreifung 2005 ist Burundi berüchtigt als Umschlagplatz für Waffen, Gold und Drogen. Die Korruption ist sichtbar: Im ärmsten Land Afrikas, in dem 80 Prozent der Bevölkerung von unter einem Dollar pro Tag leben, reihen sich in der Hauptstadt Bujumbura luxuriöse Villen mit Swimmingpools aneinander. Nur wer zur Partei gehört, kriegt einen Job oder auf andere Weise ein Stück vom Kuchen ab. Das funktioniert aber nur, solange es etwas zu verteilen gibt.

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In rohstoffreichen Ländern wie Kongo ist der Kuchen in Form von Mineralien unerschöpflich. In Burundi selbst gibt es nicht viel zu vergeben: Der Staat finanziert sich durch Hilfsgelder. Die sind jedoch aufgrund der Verfassungskrise eingefroren. Anscheinend hat Burundis Nationalbank einfach Geld drucken lassen: Seit einigen Wochen sind nagelneue Scheine im Umlauf.

Drogen und Waffen nehmen inzwischen neue Routen in der Region. Der Kuchen geht zur Neige und jeder muss schauen, wie er überlebt. In der Führungsriege gab es daher Streit: Sollte Nkurunziza weitere fünf Jahre im Amt bleiben oder nicht? Das Ergebnis war ein Militärputsch im Mai, der von loyalen Einheiten niedergeschlagen wurde.

Seit dem gescheiterten Coup setzen sich immer mehr von Nkurunzizas engsten Mitstreitern ins Ausland ab oder laufen zur Opposition über. Selbst den eigenen Truppen kann der Präsident nicht mehr trauen. Er braucht neue Freunde.

Vom Präsidentenpalast auf einem Hügel über der Hauptstadt Bujumbura kann Nkurunziza die kongolesischen Berge jenseits des Tanganjika-Sees sehen. Mit dem Präsidenten des Nachbarlandes, Joseph Kabila, verbindet Nkurunziza eine enge Freundschaft: Im Kongokrieg 1998–2003 kämpfte der burundische CNDD-FDD als Söldnertruppe auf Seiten Kabilas gegen Ruanda.

Unheilvolle Freundschaft

Heute schickt Kabila umgekehrt Hilfe nach Burundi: Geld und angeblich auch Milizen wie die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), die sich aus den Tätern des Genozids 1994 zusammensetzt und seit 20 Jahren im Ostkongo wütet.

Die FDLR unterhält enge Verbindungen zur burundischen CNDD-FDD, seit beide gemeinsam im Kongokrieg kämpften. Bei General Adolphe tauscht sie Gold gegen Waffen. Sollten ihre Hutu-Kämpfer jetzt Präsident Nkurunziza verteidigen, erwarten sie im Gegenzug wohl burundische Unterstützung gegen ihren Erzfeind, Ruandas Tutsi-Präsident Paul Kagame.

So steht nicht nur Burundi am Scheideweg zwischen Krieg und Frieden, sondern die ganze Region. Knapp 150.000 Burundier suchen derzeit in Nachbarländern Schutz, die Mehrheit in Ruanda. Dort fürchtet man, dass mit den Flüchtlingen auch die Feinde heimlich eindringen. Ob das stimmt, ist relativ unwichtig. Die Paranoia in dieser Weltregion ist so groß, dass allein auf Basis von Gerüchten Entscheidungen getroffen werden.

Rund um die Großen Seen im Herzen Afrikas tobt seit 25 Jahren ein Krieg nach dem anderen. Kein Land wurde verschont. Alle aktuellen Präsidenten sind durch Rebellionen an die Macht gekommen. Und auch wenn alle sich bemühten, ihre Rebellengruppen in zivile Regierungen zu verwandeln, so leben Siegermentalität und Kampfgeist in den Köpfen fort. Waffen und Camouflage sind immer dabei, wenn einer dieser Präsidenten auftritt, selbst wenn sie Anzug und Krawatte oder Jeans und T-Shirt tragen.

Es ist leicht in der Region, den Teufel der Gewalt an die Wand zu malen: Ob die Massaker in Burundi ab 1993, der Genozid an den Tutsi 1994 in Ruanda, der lange Bürgerkrieg in Norduganda oder der seit Jahrzehnten schwelende brutale Konflikt im Osten Kongos – Gewalt haben alle zur Genüge erlebt.

Säbelrasseln in Ruanda

Ruandas Sicherheitsapparat rasselt jetzt gewaltig mit den Säbeln. Die Armee fuhr entlang der Grenze auf. Als es vergangene Woche im Norden Burundis zu ersten Kämpfen kam, hieß es sofort: Ruanda trainiere burundische Rebellen.

Dieselbe Logik griff schon 2012 im Kongo, als die Tutsi-Rebellen der M23 (Bewegung des 23.März) Präsident Kabila den Krieg erklärten und dieser Ruanda dafür verantwortlich machte. Die geschlagene M23 sitzt heute in Ruanda und Uganda und ist mit den neuen burundischen Rebellen solidarisch. Die Waffenbrüder-Mentalität spaltet die Region und vereint sie zugleich.

Da muss jetzt der Haudegen Yoweri Museveni eingreifen. Ugandas 70-Jähriger Präsident, seit fast 30 Jahren an der Macht, greift ein, wo immer es kriselt in der Region: Ugandische Soldaten stehen in Somalia, Südsudan und in der Zentralafrikanischen Republik; wo immer eine Rebellion scheitert, lädt er die Krieger nach Uganda ein, um sich da auszuruhen.

Uganda ist als Fluchtort auch für burundische Oppositionelle bekannt. Das Land liegt strategisch im Zentrum Ostafrikas, profitiert vom Warenhandel quer durch die Wirtschaftsgemeinschaft – allerdings nur, solange Frieden herrscht. Krieg in Burundi würde die wirtschaftliche Entwicklung gefährden, ausgerechnet bevor Präsident Museveni sich 2016 im eigenen Land zur Wiederwahl stellt.

Vergangene Woche kam Ugandas Präsident daher mit dem Auto nach Burundi eingefahren, begleitet von Hunderten von Soldaten. Zuvor hatte er einen Abstecher bei Ruandas Präsident Kagame eingelegt, der ihm eine „klare Nachricht“ unbekannten Inhalts an Nkurunziza mit auf den Weg gab. Vorstellbar ist eine Warnung vor einer Allianz mit dem Erzfeind FDLR. Jüngst haben Kenia, Uganda und Ruanda eine gemeinsame Eingreiftruppe aufgebaut, die im Verteidigungsfall unter Mandat der Afrikanischen Union (AU) intervenieren darf: Sollte die FDLR von Burundi aus tatsächlich Ruanda angreifen, könnte dies der Ernstfall sein.

Das will Museveni nicht riskieren. Sein Verteidigungsminister Chrispus Kiyonga führt jetzt drei Tage lang in einem Hotel der burundischen Hauptstadt Verhandlungen mit Regierung und Opposition in Burundi. Es geht um den Wahltermin, um Sicherheitsgarantien und um internationale Beobachter.

Viele Fragen im Raum

Am Sonntag tauchte die burundische Regierungsdelegation nicht mehr auf und ging auch nicht ans Telefon. Sind die Verhandlungen damit gescheitert? „Nein“, behauptet Kiyonga am Sonntagnachmittag. „Wir werden geduldig sein.“

Nun stehen viele Fragen im Raum. Zieht Nkurunziza die Präsidentschaftswahl am Dienstag knallhart durch? Gelingt es Uganda, zuvor Burundis Regierung zurück an den Verhandlungstisch zu holen? Oder greift die Opposition frustriert zu den Waffen und versucht, den Präsidenten erneut zu stürzen?

Alle wissen: Das Risiko, dass die Region der Großen Seen erneut im Chaos versinkt, ist enorm hoch.

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