Vor dem WM-Endspiel: Disziplin gegen Kreativität

Deutschland und Brasilien stehen im Finale der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen. Beide Teams haben es verdient.

Finale! Jubel nach dem Halbfinalsieg über Norwegen. Bild: dpa

Es wird ein spannendes Finale, das am Sonntag in Schanghai angepfiffen wird, so viel ist gewiss. Die disziplinierteste Mannschaft des Turniers trifft auf die kreativste.

Das deutsche Team unter Bundestrainerin Silvia Neid will den Titel mit einem 4-4-2-System verteidigen, also mit vier Verteidigern, vier Mittelfeldspielern und zwei Stürmern. Die Laufwege sind vorgezeichnet, das Aufgabengebiet für jede der elf Spielerinnen ist klar umrissen. Wollen die Außenangreiferinnen die Flügel wechseln, dann ist dies das Ergebnis einer Verabredung, manchmal wird sogar noch "Kreuzen" gerufen, um ganz sicher zu gehen.

Anders die Mannschaft Brasiliens. Das Spielsystem wirkt ungeordnet. Der Finalist aus Lateinamerika vertraut auf die individuelle Klasse seiner Akteure, allen voran auf Marta, Weltfußballerin des Jahres 2006. Aber auch Cristiane oder Maycon sind am Ball stark genug, die wohl geordnete deutsche Defensive durcheinanderzubringen.

Plakativ könnte man sagen: Ein perfekt geschultes Kollektiv trifft auf eine Ansammlung von hochbegabten Einzelspielerinnen.

Das brasilianische Team konterkariert mit seiner Spielweise den Trend dieser Weltmeisterschaft. Es wurde im Verlauf des Turniers sehr schematisch, ausgesprochen planvoll nach vorn gespielt.

Die Teams legten zudem Wert auf aggressives Forechecking, und sie waren konditionell so stark wie nie zuvor. Das hat die Taktikfreunde erfreut, die Zuschauer wurden dadurch aber weit schlechter unterhalten als noch bei der Weltmeisterschaft der Frauen vor vier Jahren in den USA.

In den Vereinigten Staaten einigte sich die Öffentlichkeit nach dem Ende des Championats und den guten Spielen der deutschen Mannschaft darauf, dass Frauenfußball attraktiver als der Kick der Männer sein kann, weil der Ball flüssiger läuft, es weniger Fouls gibt und bisweilen auch mehr Tore fallen.

Das Championat in China hat die Sicht auf den Frauenfußball verändert. Dabei ist das Spiel nur dynamischer und systematischer geworden - mit den entsprechenden Begleiterscheinungen: Jetzt kommt es häufiger zu Ballverlusten im Mittelfeld, man beobachtet erbitterte Positionskämpfe und eben auch diverse technische Fehler.

Es fehlt mittlerweile auf dem Topniveau die Zeit, den Ball in aller Ruhe anzunehmen und an die Nebenfrau zu passen. Der Druck, den ein Team ausübt, ist viel größer geworden, was gut an der Elf Nordkoreas zu studieren war. Sie rückte der US-Auswahl derart auf den Leib, dass die schnell zurücklag und nur ein Unentschieden retten konnte. Doch im Turnierverlauf, als die Kräfte der Asiatinnen schwanden, wurde sie zu einer Mannschaft unter vielen.

Das Gegenteil lässt sich von den Finalisten dieser Weltmeisterschaft sagen. Wo andere abbauten, da konnten sich die Teams aus Deutschland und aus Brasilien ständig steigern. Es ist also auch ein gerechtes Finale.

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