Vor dem Grünen-Parteitag: Kretschmann stört das Programm
Wie die Grünen Gutverdienende stärker zur Kasse bitten wollen, findet Baden-Württembergs Ministerpräsident nicht so gut. Zudem warnt er seine Partei vor „Lagerdenken“.
MÜNCHEN afp | Vor dem am Freitagabend beginnenden Bundesparteitag der Grünen hat der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann seine Partei vor einer Überforderung von Wirtschaft und Bürgern durch zusätzliche Abgaben gewarnt. „Eine zu hohe Gesamtbelastung halte ich für problematisch“, sagte er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. „Ich glaube nicht, dass man in einer Legislaturperiode mehr als zwei Steuern erhöhen kann.“
Im bisherigen Entwurf für das Wahlprogramm, das die Grünen in Berlin beschließen wollen, sind zahlreiche neue Belastungen für Besserverdienende und Vermögende vorgesehen. Wer jährlich 80.000 Euro oder mehr zu versteuern hat, soll künftig einen Spitzensteuersatz von 49 Prozent bezahlen. Derzeit liegt er bei 42 Prozent und greift von knapp 53.000 Euro an. Zudem wollen die Grünen zeitlich befristet eine Vermögensabgabe zur Tilgung von Bundesschulden erheben. Dabei sollen Nettovermögen von mehr als einer Million Euro pro Kopf jährlich mit 1,5 Prozent belastet werden.
Kretschmann sagte, die Erhöhung des Spitzensteuersatzes sei unstrittig, auch wenn er ihn lieber erst von 100.000 Euro an erheben würde. Aber über alle weiteren Reformen solle man reden, wenn man in der Regierung sitze. Er wolle der Wirtschaft „keine unzumutbaren Belastungen aufbürden“. Konkret nannte Kretschmann die Vermögenssteuer, die der Mittelstand im Südwesten für „sehr problematisch“ halte. „Wir werden nichts tun, was unserem Mittelstand schadet“, fügte der Regierungschef hinzu. Sein Landesverband habe „mit Maß und Mitte Wahlen gewonnen“.
Über die Steuerpläne gibt es bei den Grünen seit Wochen Debatten. Während die Parteiführung und vor allem Spitzenkandidat Jürgen Trittin sie verteidigt hatten, war vom Realo-Flügel eine Reihe an Änderungswünschen gekommen. Mit Kretschmann meldet sich einer der wichtigsten Vertreter dieses Lagers zu Wort. Er warnte seine Partei auch vor einem „Lagerdenken“. Zwar sei eine Koalition mit der SPD eindeutig zu bevorzugen, die Grünen seien aber „von der Union auch nicht so meilenweit weg, dass wir mit ihr, sollte es für Rot-Grün nicht reichen, nicht mal Sondierungsgespräche führen könnten“.
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