Vor dem G-8-Gipfel: Freihandel? Können USA und EU allein
Nachdem die Welthandelsrunde seit Jahren festhängt, gewinnt die Idee eines transatlantischen Handelsabkommens Anhänger. Eine Liberalisiserung würde beiden Seiten Gewinn bringen.
BANGKOK taz | Von der ganz großen Welthandelsrunde redet niemand mehr so richtig. Stattdessen boomen Konzepte für bilaterale Freihandelszonen. Kein Wunder, dass auch die Befürworter einer Freihandelszone zwischen der EU und den USA eine neue Chance wittern: Unterstützt vom britischen Premier David Cameron und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hoffen die europäische und die US-amerikanische Handelskammer, dass beim G-8-Gipfel in Camp David in dieser Woche die Aufnahme von Verhandlungen über eine transatlantische Freihandelszone verkündet wird.
Rund zwei Drittel der Amerikaner und Europäer sind wohl grundsätzlich offen für einen gemeinsamen Freihandel, zeigen Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Pew und des German Marshal Fund. Ende 2011 setzten US-Präsident Barack Obama und EU-Ratspräsident Herman van Rompuy eine entsprechende Arbeitsgruppe ein. Ein Zwischenbericht soll im Juni vorliegen.
Die USA und die EU sind die größten Volkswirtschaften der Welt, der bilaterale Handel beträgt knapp 500 Milliarden Euro, rund ein Drittel des Welthandels. Beide Wirtschaftsblöcke sind bereits heute stark integriert. Knapp 75 Prozent der europäischen Auslandsinvestitionen fließen in die USA, Europa erhält mehr als die Hälfte der entsprechenden US-Anlagen. 7 Millionen Menschen arbeiten für Unternehmen, die ihren Hauptsitz auf der jeweils anderen Seite des großen Teichs haben.
Obwohl die Zollsätze im Transatlantikhandel im Schnitt nur 5 bis 7 Prozent betragen, würde eine weitere Liberalisierung beiden Seiten Gewinn bringen. Schon wenn die Zollsätze im Güterhandel auf null sänken, würde das bilaterale Handelsvolumen um knapp ein Fünftel zunehmen. Das würde das EU-BIP, also die Summe aller innerhalb der EU produzierten Waren und Dienstleistungen, um 0,5 Prozent und das US-BIP um über 1 Prozent erhöhen, schätzt der europäische Thinktank Ecipe. Für weiteres Wachstum könnte der Abbau von nichttarifären Handelshemmnissen wie Quoten, Steuervorteilen oder die Angleichung von sozialen und Öko-Standards sorgen.
Gigantisches Projekt
Trotzdem wäre die tatsächliche Umsetzung ein gigantisches Projekt, zumal zu befürchten ist, dass die WTO Schaden nehmen könnte, wenn die beiden größten Handelsmächte ihren bilateralen Handel allein regeln. Die EU und die USA „sind die zwei Verhandlungspartner, die am schwersten Übereinkommen finden“, sagt der ehemalige EU-Chefunterhändler Peter Mandelson.
Und auch WTO-Chef Pascal Lamy sieht nahezu unüberwindliche Hindernisse: „Landwirtschaft? Viel Glück.“ Bei den nichttarifären Handelshemmnissen kommt hinzu, dass beide Partner gleich stark sind, wie Ecipe Direktor Fredrik Erixon sagt: „Die EU und die USA können nicht das tun, was sie in Verhandlungen mit kleineren Ländern tun: einfach verlangen, dass der kleinere Partner die EU- oder US- Regeln übernimmt.“
Trotz dieser Schwierigkeiten bleibt Thomas Donohue, der Chef der US-Handelskammer, optimistisch: Die gegenwärtige Krise sei „eine großartige Zeit für ein Handelsabkommen. Die Not ist da, die Angst ist da.“
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