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Vor dem EU-Gipfel in BrüsselWeiche Hand für britischen Premier

Die EU-Regierungschefs wollen Cameron beim Gipfel nicht zur Austrittserklärung zwingen. Die Kanzlerin hat sich mit ihrer abwartenden Haltung offenbar durchgesetzt.

Schlaffe Fahnen, schlechte Stimmung: vor dem EU-Gipfel in Brüssel Foto: dpa

Brüssel afp | Es dürfte das letzte Zugeständnis an David Cameron sein. Die EU-Staats- und Regierungschefs werden den scheidenden britischen Premier bei ihrem Gipfel ab Dienstag nicht zwingen, den Austritt seines Landes offiziell zu erklären und damit die auf zwei Jahre angelegten Brexit-Verhandlungen einzuleiten. Sie nehmen damit in Kauf, dass die Frage monatelang in der Schwebe bleibt – trotz aller Unsicherheiten, die dies erzeugen wird.

Europas Staats- und Regierungschefs befassen sich am Dienstag erstmals mit dem Brexit, der die EU seit Freitag in ihren Grundfesten erschüttert und heftige Turbulenzen an den Finanzmärkten auslöst. Cameron wird die 27 anderen Staatenvertreter beim Abendessen über das Ergebnis des Referendums informieren, es folgt ein „Meinungsaustausch“.

Am Mittwoch darf der Brite dann schon nicht mehr teilnehmen. Auf der Tagesordnung der Rest-EU stehen dann nur zwei Fragen: Wie das Austrittsverfahren organisiert werden soll und wie „der Weg nach vorne“ für die verbleibenden 27 Mitglieder aussehen könnte.

Tagelang haben Vertreter aller EU-Institutionen und der Mitgliedstaaten gefordert, das Austrittsverfahren nach Artikel 50 EU-Vertrag „so schnell wie möglich“ einzuleiten. „Das ist lächerlich“, sagte ein Diplomat mit Blick auf Camerons Plan, den Brexit erst nach seinem Rücktritt im Oktober durch einen Nachfolger erklären zu lassen. „Es erinnert an eine Bananenrepublik.“

Austrittserklärung spätestens bis Weihnachten

Doch am Sonntag vollzogen die EU-Regierungen die Wende. „Die EU kann einen Mitgliedstaat nicht zum Austritt zwingen“, hieß es in Brüssel nach Beratungen der „Sherpas“ – der Gipfelvorbereiter in den Hauptstädten – mit Blick auf die „politische Krise“ in Großbritannien nach dem Referendum. „Wir erwarten nicht, dass Artikel 50 in dieser Phase ausgelöst wird.“

Nach dem Referendum gab es zunächst zwei Fraktionen unter den Mitgliedstaaten. „Eine Gruppe sagte ‚geht jetzt‘, eine andere ‚keine Eile, nichts ist passiert‘, sagte ein EU-Diplomat. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gehörte zur zweiten und hat sich offenbar durchgesetzt – sie hatte am Wochenende gesagt, sie wolle sich „nicht wegen einer kurzen Zeit verkämpfen“. In Brüssel heißt es jetzt, die Austrittserklärung müsse spätestens bis Weihnachten erfolgen.

Zwar warnt die Bundesregierung weiter vor einer „Hängepartie“, doch bleibt es damit wohl bei Camerons Linie. Der Premier hofft offenbar, dass sich bis Oktober die emotional aufgeladene Brexit-Debatte bei seinen konservativen Tories beruhigt und gemäßigtere Kräfte das Ruder übernehmen können – und nicht etwa Londons Ex-Bürgermeister Boris Johnson als Galionsfigur der Brexit-Befürworter neuer Parteichef und Premier wird.

Ein „Exit vom Brexit“

Was dann passiert, ist offen. Spekuliert wird über Neuwahlen und ein mögliches zweites Referendum, falls die Stimmung Richtung „Remain“ zu kippen scheint. Darauf spekuliert offenbar manch einer. „Ich schließe nicht aus, dass die Briten niemals den Austritt erklären“, sagte ein EU-Diplomat zum vagen Szenario eines „Exit vom Brexit“.

Hart bleiben will der EU-Gipfel jedenfalls bei der Frage, ab wann über die künftigen Beziehungen Großbritanniens zu Rest-Europa verhandelt wird. „Solange Artikel 50 nicht ausgelöst ist, wird es keine Verhandlungen geben“, heißt es in Brüssel. Einige Vertreter der „Leave“-Kampagne hoffen bisher, dass schon vor der Austrittserklärung dazu ein Rahmenabkommen vereinbart wird.

Die Debatte über die Zukunft der EU mit 27 Mitgliedern beginnt dagegen beim Gipfel erst – wo sie hinführt, ist völlig offen. Möglich sei ein eigener Gipfel dazu im Juli oder später, sagt ein EU-Vertreter.

Trotz der Bemühungen Deutschlands und Frankreichs um ein gemeinsames Vorgehen erwartet in Brüssel niemand weitreichende Entscheidungen, die etwa komplizierte Änderungen des EU-Vertrages erfordern. Verwiesen wird dabei auch auf Wahlen im kommenden Jahr – in Frankreich und Deutschland.

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