Vor Grönlands Ostküste: Touristen entdecken Waljagdfrevel
Passagiere eines Kreuzfahrtschiffes haben 48 tote Narwale an Grönlands Ostküste entdeckt. Die wurden wohl nur wegen ihrer Stoßzähne getötet - die Kadaver der Wale verroten vor sich hin.
STOCKHOLM taz Die Passagiere des australischen Kreuzfahrtschiffes „Polar Pioneer" waren geschockt. Einige hundert Meter von der Stelle entfernt, an dem sie am Rømer-Fjord, an der grönländischen Ostküste zu einem Landausflug am Ufer abgesetzt worden waren, entdeckten sie vor einigen Tagen in einer Bucht die Kadaver von 48 Narwalen. Die Tiere waren offenbar nur abgeschlachtet worden, um an ihre charakteristischen Stoßzähne zu kommen.
Für das Walfleisch hatten sich die Walfänger nicht weiter interessiert, das verrottet nun dort vor sich hin. Bei einigen Walen machten sich die Fänger nicht einmal die Mühe, die Tiere ganz aus dem Wasser zu ziehen, sondern nur soweit, um den Stoßzahn abtrennen zu können. Ein Wal war schwanger, noch durch den Nabelstrang mit ihr verbunden liegt das Kalb ein Stück vom Körper der Mutter entfernt im seichten Wasser.
Die Kreuzfahrtreederei informierte zusammen mit entsprechenden Bilddokumenten die Behörden im 80 km weiter nördlich liegenden Ittoqqortoormiit. Dort hat die Polizei mittlerweile die Ermittlungen aufgenommen. Nach den Jagdbestimmungen dürfen nicht mehr Wale gejagt werden, als die Walfänger dann auch tatsächlich mit ihren Booten zum Heimatort abtransportieren können. Auch ist vorgeschrieben, dass die Kadaver möglichst restlos verwertet werden müssen. Erling Madsen, Bürgermeister des Ortes, erklärte in den lokalen Medien, nach seinen Informationen seien die Narwale innerhalb der letzten fünf bis sechs Wochen getötet worden. In den Booten der grönländischen Inuit, die an der Jagd beteiligt waren, sei offenbar kein Platz gewesen, das Fleisch mitzunehmen.
Bezeichnend ist allerdings, dass in den Booten genügend Platz für die jeweils mehrere Meter langen Stoßzähne der erlegten Wale war. Der Bestand der „Einhörner des Meeres", wie die Narwale wegen dieser charakteristischen gedrehten Stoßzähne genannt werden, ist vor der grönländischen Küste in den letzten Jahren massiv zurückgegangen. Walschutz-Organisationen warnen schon lange, dass diese Tiere hier vor der Ausrottung stehen. Offiziell ist der Handel mit den Stoßzähnen – wie jeder Handel mit Walprodukten – verboten. Bekannt ist aber, dass sie auf dem illegalen Souvenirmarkt eine begehrte und gut bezahlte Ware sind.
Die Jagd dieser Walart wird nicht durch internationale Abkommen geregelt. Die Regierung Grönlands hatte den einheimischen Inuit in den letzten Jahren jeweils etwa eine dreifach höhere Narwalquote genehmigt, als ihre eigene Naturschutzbehörde dies für vertretbar gehalten hatte. Begründet worden war dies mit dem von den Inuit angemeldeten Nahrungsbedarf. Auch bei der diesjährigen Jahrestagung der internationalen Walfangkommission hatte Grönland eine höhere Fangquote auf Zwerg- und Finnwale unter Verweis auf angeblichen Nahrungsbedarf begründet. KritikerInnen dieser Jagd, die das für ein vorgeschobenes Argument halten – „mit Fleischbedarf hat diese Jagd nichts mehr zu tun", sagt beispielsweise der dänische Biologe Thor Hjarsen -, dürfen sich durch den jetzigen Waljagdfrevel bestätigt sehen.
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