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Vor EM-Halbfinale gegen TürkeiSo schlagen wir die Türken

In Sachen Emontionalität kann die deutsche Fußballelf dem türkischen Gegner nicht das Wasser reichen. Dafür wollen die Deutschen mächtig seriös ins Finale einziehen.

Simon Rolfes (li.), Christoph Metzelder (m.) und Philipp Lahm (r.) schalten schon mal vorher einen Gang rauf, um gegen die türkische Elf nicht alt auszusehen. Bild: dpa

Vaterland, Stolz, Identifikation. Es sind keine Sportvokabeln, mit denen die deutschen Spieler und ihr Trainer Respekt vor den türkischen Erfolgen ausdrücken. Das "Herzblut" (Joachim Löw), mit denen Spieler und Anhänger bei Partien zu Werke gingen, sei bewundernswert. Türkische Spieler wüssten die "ganze Nation" hinter sich und würden "bis zur letzten Minute um ihr Leben rennen". Löw mimte Bewunderung und machte doch deutlich, dass es in seinem Team anders zuzugehen habe.

System, taktische Ausrichtung, Trainingsintensität. Wenn Löw über die eigene Mannschaft spricht, vermeidet er Pathos. Egal welches der zwei deutschen Systeme gespielt wird, die Deutschen fühlen sich gut vorbereitet. "Wir haben flexibel trainiert", sagte Kapitän Michael Ballack gestern. Für die Türken mag das Halbfinale ein historisches Ereignis sein, für die Deutschen geht es darum, einen weiteren Schritt zu machen auf dem Weg zum Titel. Die Deutschen geben sich, als sei dieser Weg längst planiert. Zwölf Minuten dauerte es gestern, bis Ballack bei seinem Auftritt erstmals den Halbfinalgegner erwähnte. "Unangenehm" würden die Türken spielen, sie würden sich durch "mentale Stärke auszeichnen", hätten einen Trainer, der "ein Team sicher sehr, sehr gut motivieren kann", und einen anderen Spielstil. "Gut, darauf müssen wir uns einstellen, und dann, glaube ich, können wir auch ins Finale einziehen."

Mut. Leidenschaft. Wille. Auch Hansi Flick, der Co-Trainer, lobte bei den Türken nur fußballerische Sekundärtugenden - die aber über den grünen Klee. Denen gelte es etwas entgegenzusetzen, das sei man auch den Fans schuldig. Den Fans der Nationalmannschaft. Nicht den Deutschen, nicht Deutschland. Immerhin redete er ein wenig mehr über den Gegner. Viel war es dennoch nicht. Ausgerechnet er, der oft so spröde wirkte, versuchte, den Eindruck zu verwischen, die Deutschen würden als emotionale Tiefkühltruhen nach Basel reisen. "Wir sind heiß darauf, geil darauf, ins Finale einzuziehen." Doch schnell wurde er wieder sachlich. "Natürlich haben wir einen Matchplan", sagte er im neudeutschen Fußballsprech der Reißbretttaktiker. Da kann Fatih Terim, der Trainer der Türken, noch so sehr in der Kabine rumschreien, Joachim Löw wird vor dem Anpfiff des Halbfinales alles so machen wie bisher. Und wie hat er es bisher gemacht? Flick: "Genau richtig."

Konzentration. Bodenhaftung. Runterfahren. Für große Gefühle ist kein Platz in der modernen Arbeitswelt der Nationalmannschaft. Die Spieler durften sich freuen über ihren Erfolg gegen Portugal. Dann bekamen sie frei, um ihre Gefühle runterzukühlen. Endlich emotionsfrei nahmen sie die Arbeit wieder auf. Dass es im türkischen Team anders zugeht, dafür soll sich niemand interessieren. "Natürlich machen die Türken jetzt ihre Spielchen", sagte Ballack. Nein, Spielchen, machen die Deutschen nicht. Alle 23 Spieler sind fit. Natürlich zeigt die Fitnesskurve bei den meisten Spielern nach oben. Löw: "Das ist doch klar." Sogar Torsten Frings soll es wieder gut gehen. Warum? Weil gut gearbeitet wurde. In der medizinischen Abteilung diesmal. Mächtig seriös wollen sie ins Finale einziehen, die Deutschen. Sie mögen erkannt haben: Emotional können wir eh nicht mithalten!

Nur ein kleines Gefühlsfenster hat die Mannschaft vor dem Spiel gegen die Türken aufgestoßen. "Ich freue mich riesig", sagte Jogi Löw. "Wir freuen uns, dass wir endlich wieder spielen können", meinte Michael Ballack. Ein wenig Vorfreude ist also bei aller Ernsthaftigkeit erlaubt. Fast wirkte es wie ein unkontrollierter Gefühlsausbruch, als dem Kapitän am Ende rausrutschte: "Natürlich nimmt die Anspannung noch einmal zu, je näher das Spiel rückt."

Bitte runterkommen, Herr Ballack!

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