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Von seiner Schule vergraultFittester IT-Lehrer ist keiner mehr

Der Magdeburger Olaf Kleinschmidt bekommt einen Preis als bester Computerpädagoge. Allerdings hat er sich bereits beurlauben lassen, weil Schulen ihm zu träge sind.

Preisträger und Lehrer Olaf Kleinschmidt: Findet Schulen zu langsam. Bild: kleinschmidt

BERLIN taz Die Weltklasseschwimmerin Antje Buschschulte arbeitet mit seinem Konzept. Der Goldmedaillengewinner Andreas Ihle (2er Kajak) stützt sich auf seine Technik genau wie der deutsche Handballmeister Daniel Wessig (THW Kiel). Und auch der FC Bayern hat sich schon für die Methoden von Olaf Kleinschmidt interessiert. Dabei ist Kleinschmidt weder Supertrainer noch Dopingvirtuose, sondern ganz einfach Lehrer. Er hat ein mit viel digitaler Technik gestütztes Programm fürs Fernlernen entwickelt.

Dafür bekommt er am Montag einen von Bill Gates ausgelobten Preis der IT-Wirtschaft: Dabei taugt der Mann gar nicht mehr als Vorzeige-Computerpädagoge. Aber der Reihe nach. Olaf Kleinschmidt, 45, ist von Hause aus Mathe- und Physiklehrer. Als er im Jahr 2000 ans Sportgymnasium Magdeburg kommt, hat er sich bereits zum Informatiklehrer forgebildet. Das passt. Die Magdeburger sind gespickt mit Weltmeistern und Olympioniken, die große Teile des Schuljahres nicht an der Schule verbringen.

Kleinschmidt hat dafür gesorgt, dass die Sportler trotzdem mitlernen können. Auf tragbare MDA-Geräte (Handys mit großem Display und Computerfunktionen) werden ihnen die Hausaufgaben überall hin nachgesandt.

"Andere Schulen verbieten Handys, wir teilen sie an die Schüler aus!", lautet Kleinschmidts Slogan. Zeitversetzt können die Schüler sogar am Unterricht teilnehmen. Ihre Klassen in Magdeburg notieren die Tafelanschriebe auf so genannten Tablett-PCs - so werden sie elektronisch gesichert. Und können von den Mitschülern überall auf der Welt über die Fernlernseiten des Sportgymnasiums abgerufen werden. Kleinschmidts Projekt heißt "moUnt", das steht für "mobiler Unterricht".

Kleinschmidt wird Montag (zusammen mit einem bayerischen Kollegen, dem Hauptschullehrer Hubert Zecherle aus dem Allgäu) zum IT-fittesten Lehrer Deutschlands gekürt. Er erhält Hard- und Software im Wert von 2.500 Euro. Paten des Projekts sind der Microsoft-Gründer Bill Gates und Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Eine Unternehmensgruppe aus der IT-Branche sieht Kleinschmidt sogar schon als neues Rollenmodell für die deutsche Lehrerschaft, die bislang mit Computern, E-Learning oder digitalen Unterrichtsformen wenig am Hut hat. Die Initiative "IT-Fitness", zu der unter anderen Microsoft, Cisco, Deutsche Bahn, Arbeitsagentur und der Zentralverband des Handwerks gehören, wirbt seit Montag mit Kleinschmidt.

Doch die Geschichte des IT-Superlehrers hat eine ironische Seite. Denn der Lehrer Kleinschmidt ist seit wenigen Wochen gar keiner mehr. Er hat sich für 2 Jahre beurlauben lassen. Formell pausiert er, um seine Doktorarbeit über mobilen Unterricht an der TU München zu beenden. Was ihn nicht weniger zu dem Schritt bewogen hat, ist die Reformträgheit der Schule. "Mit modernen IT-Techniken ist es nicht anders als mit dem individuellen Lernen - die Schule stellt sich nur sehr langsam darauf ein", sagte Kleinschmidt der taz.

Ihm ging es mit dem Einsatz von IT für den Unterricht nicht nur ums Fernlernen. Die ganze digitale Technikspielerei ist für ihn nur ein Hilfsmittel, um zum selbstbestimmten Lernen zu kommen. Kleinschmidts Ziel ist nicht, möglichst viele Computer in die Schulen zu holen, sondern das Lernen 2.0 möglich zu machen - also die Nutzung des Internets, um individuell und gemeinsam neues Wissen zu kreieren.

"Lernen muss selbstgesteuert und unabhängig von Ort und Zeit möglich sein", sagt Kleinschmidt. "Das geht am besten mit Computern, die eine bessere Form der Aktivierung, Rückkopplung und emotionalen Steuerung des Lernens möglich machen."

Kleinschmidt geht der Schule nicht komplett verloren. Er betreibt eine Firma für mobile IT-Lösungen und zusammen mit Schülern "online-lernhilfe.de". Dennoch ist Kleinschmidt ein Symbol dafür, wie wenig bereit das Schulwesen für andere Unterrichtsformen ist. Es hat seinen fittesten IT-Lehrer vergrault.

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1 Kommentar

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  • BS
    Bernd Schultz

    Herzlichen Glückwunsch dem Preisträger. Sein Entschluss, die Brocken erstmal hinzuwerfen ist für mich nachvollziehbar. Jahrelang wird diskutiert und nichts entschieden.

    Der Stillstand treibt die Beweglichen woandershin. Der Einzelne ist als Reformer überfordert. Respekt Herrn Kleinschmidt und den vielen engagierten Lehrern in unserem Land, wie auch immer ihre persönliche Konsequenz aussehen mag. Der Politik wünsche ich entschiedenes Handeln, nict erst wenn es 5 nach 12 ist wie akteull im Finanzsystem.