piwik no script img

Von sechs auf zwölf MonateZivildienst gleich Zwangsdienst?

Der Unionsplan sieht keine Verkürzung, sondern eine De-facto-Verlängerung des Zivildienstes vor. Mit Sechs-Monats-Zivis könnten die Arbeitsgeber sowieso nichts anfangen.

Müssen Zivis künftig dem Arbeitgeber zwölf Monate zusagen? Bild: dpa

BERLIN taz | Im Koalitionskrach um den Zivildienst kommt laut Zentralstelle KDV ein Aspekt zu kurz. "Es geht darum, in einer Größenordnung von 45.000 Stellen ein Niedriglohnsegment im Pflegebereich einzuführen", erklärt Peter Tobiassen, Geschäftsführer der Kriegsdienstverweigerer-Lobby. Caritas & Co, die Arbeitgeber im Pflegesektor, haben gerade erst in einen Mindestlohn von 8,50 bzw. 7,50 Euro (Ost) eingewilligt. Nun aber kalkulierten sie mit dem "freiwillig verlängernden" Zivi. Dieser koste sie bloß 3,75 Euro die Stunde, rechnet Tobiassen vor.

Union und FDP sind weit davon entfernt, sich auf die Modalitäten der Zivildienstverkürzung zu einigen. Wehr- und Zivildienst sollen schon ab Spätsommer von neun auf sechs Monate verkürzt werden. Verteidigungs- und Familienministerium, beide unionsgeführt, haben ihren Gesetzentwurf lange vorgelegt. Doch die FDP wehrt sich gegen die Einrichtung einer "freiwilligen" Verlängerung des Zivildiensts.

Aktuell machen die beiden Koalitionspartner noch nicht einmal einheitliche Angaben über die nächste Verhandlungsrunde. Laut FDP steige kommende Woche die Fraktionschefin Birgit Homburger mit ein. Laut Union gibt es noch gar keinen Termin. Außerdem sollten erst die Fachpolitiker es vor den Fraktionsspitzen noch einmal versuchen, erklärt der Unions-Zivildienstpolitiker Markus Grübel.

"Um den Zivildienst zu retten", sagt Unions-Fraktionssprecher Dominik Geißler, sei die freiwillige Verlängerung unbedingt notwendig. Denn die Arbeitgeber, etwa die meisten Wohlfahrtsverbände, könnten mit Sechs-Monats-Zivis nichts anfangen. Sie würden in der Zeit ja kaum eingearbeitet. Sage aber etwa ein Viertel bis ein Drittel der gegenwärtig 90.000 Zivis jährlich zu, bis zu sechs Monate zu verlängern, "können die Verbände wieder planen", so Geißler.

Dies aber, sagen Zentralstelle KDV wie FDP, ist eine De-facto-Verlängerung des Zwangsdienstes. "Der Zivi läuft dann Gefahr, bei attraktiven Stellen von den Trägern unter Druck gesetzt zu werden, gleich für 12 Monate zuzusagen", sagt FDP-Zivildienstsprecher Florian Bernschneider. Wenn ein Zivi weitermachen wolle, sei das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) eine geeignete Form. Um dies den Verbänden zu versüßen, könne man auch die staatliche Bezuschussung der FSJler an die der Zivis angleichen.

Die Zentralstelle KDV weist darauf hin, dass das FSJ ein Bildungs-, kein Arbeitsjahr sei. "Wenn es aber darum geht, Arbeit wegzuschaffen", sagt Tobiassen, sollten bitte tariflich entlohnte Stellen eingerichtet werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

6 Kommentare

 / 
  • WL
    W. Lorenzen-Pranger

    Daß der Zivildienst länger als der Wehrdienst war, das gabs schon einmal Ende der 60er und Anfang der 70er. Das Argument war damals, daß Zivis ja nicht zu weiteren Übungen geladen werden.Es wird sich auch diesmal ein dummer Trick und ein fadenscheiniges "Argument" finden, wie man die Zivis zu mehr Dienst drangsalieren kann, da habe ich keinen Zweifel. Die allgemeine Wehr- und Dienstpflicht gehört schon seit langer Zeit abgeschafft!

  • A
    Anita

    Solange Frauen keinen Wehrdienst machen muessen, ist Wehrdienst sowieso ungerecht.

    Entweder ein Dienstjahr fuer ALLE oder garnichts.

    Und eine Berufsarmee ist auf Dauer eh sinnvoller.

  • DS
    Das Selbst

    Ja warum sagt man nicht gleich wer Zivi macht, macht das die doppelte Zeit. Das wär doch was liebe Freunde.

     

    Da kann ich ihnen nur zustimmen Herr Wolfgang.

  • C
    claudia

    >>"Es geht darum, in einer Größenordnung von 45.000 Stellen ein Niedriglohnsegment im Pflegebereich einzuführen">Wehrdienst

  • P
    Pyro

    @Wolfgang

     

    Nutznießer sind die Sozialverbände aber auch nur, weil sie unqualifizierte Arbeiter für fast umsonst bekommen. Im Prinzip also Zeitarbeiter ohne Tarife und sehr geringe Löhne, die aber nicht einfach kündigen können, und zudem noch meist sehr unerfahren mit Arbeitsrecht sind.

  • W
    Wolfgang

    Der ungerechte Wehrdienst und der daran geknüpfte Wehrersatzdienst gehört endgültig abgeschafft. Dann müssen die Nutznießer des Wehrersatzdienstes nicht über den kurzen Dienst jammern.