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Von der Landesregierung getäuscht

■ Interview mit Jörn Erik Gutheil, Landeskirchenrat der evangelischen Kirche im Rheinland, zu dem Beschluß der Düsseldorfer Landesregierung, keinem Rom ein Bleiberecht zu gewähren

taz: Herr Gutheil, die Landesregierung hat ein Bleiberecht für Roma am Dienstag rundweg abgelehnt. Sie haben in dem Konflikt von Beginn an als Vermittler fungiert. Was sagen Sie zu der Kabinettsentscheidung?

Jörn Erik Gutheil: Für mich ist diese Entscheidung nicht nachvollziehbar, weil wir seit dem 1. Februar 1990 davon ausgehen konnten, daß es zu einer Bleiberechtsregelung kommen würde. Die Landesregierung hat die Entscheidung immer wieder hinausgezögert und ist jetzt selbst Opfer ihrer Verzögerungspolitik geworden. Sie mußte jetzt entscheiden und steht nun mit leeren Händen da. Auch mit dieser Entscheidung wird sie auf keinen Fall das gewünschte Ergebnis bekommen: Sie wird die Opposition nicht glücklich machen.

Hatte Ihnen die Landesregierung die Gewährung des Bleiberechts beim Abbruch des Bettelmarsches signalisiert, was hat Ihnen Innenminister Herbert Schnoor wirklich gesagt?

Die Roma konnten von einer Aufenthalts- erlaubnis ausgehen

Es geht jetzt nicht um juristische Haarspaltereien. Tatsächlich ist es so gewesen, daß der Bettelmarsch unter der Maßgabe abgebrochen wurde, daß in der Form eines Antragsverfahrens auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Grunde genommen für die Teilnehmer, die man als De- facto-Staatenlose selbst gekennzeichnet hatte, eine Aufenthaltserlaubnis herauskommen sollte. Also, subjektiv konnten die Betroffenen, konnte ich als Vermittler davon ausgehen, und im persönlichen Gespräch ist das auch nie bestritten worden, daß es die Aufenthaltserlaubnis geben würde. Erst jetzt, zum Ende hin, hieß es, es sei keine Aufenthaltsgenehmigung, sondern nur die Prüfung derselben versprochen worden. Das ist nur noch für Leute verständlich, die ein komplettes Jurastudium hinter sich haben.

Innenminister Schnoor hat ja zuletzt eine Bleiberecht — quasi als Minimallösung — für jene 1000 Roma versprochen, die seit langem heimatlos in Europa umherziehen. Selbst diese Zusage wurde nicht gehalten.

Ich würde vom Innenminister von Nordrhein-Westfalen zunächst nur hochachtungsvoll sprechen wollen, weil er bis in die Kabinettsentscheidung hinein seine Auffassung vertreten hat, und die hieß immer, es soll zu einer Bleiberechtsregelung kommen. Ich beteilige mich jetzt nicht an Zahlenspielereien. Für mich stellt sich eher die Frage, wie geht eine Landesregierung an diesem Punkt mit dem Fachminister um? Der Innenminister hat sich nicht des Wortbruchs schuldig gemacht, sondern er hat sein Wort gehalten, ist aber in einer Abstimmung im Gesamtkabinett unterlegen.

Die Landesregierung insgesamt hat Schnoor also gehindert, sein Wort zu halten?

Das Vertrauen der Roma wurde wieder enttäuscht

Daß der Innenminister für seine Vorlage, die ein Bleiberecht vorsah, keine Mehrheit bekommen hat, ist sehr bedauerlich.

Ihre Bereitschaft zu vermitteln ist anfänglich von allen Beteiligten ausdrücklich gelobt worden. Fühlen Sie sich jetzt getäuscht?

Ich fühle mich, was das Endergebnis angeht, deshalb getäuscht, weil es nicht möglich gewesen ist zu unterscheiden zwischen dem, was man seit geraumer Zeit neue Flüchtlingspolitik nennt — die im Grundsatz von mir geteilt wird —, und einer besonderen Verpflichtung gegenüber einer Bevölkerungsgruppe, die man selbst als heimatlose Roma gekennzeichnet hat und für die eine Lösung angezeigt war. Jetzt stehen wir völlig mit leeren Händen da, weil die Landesregierung sich in das Projekt im jugoslawischen Skopje so verliebt hat, daß dabei nicht mehr differenziert werden konnte.

Was werden Sie jetzt tun?

Wir werden uns noch einmal an unsere Gemeinden wenden und sie bitten, den Roma-Familien, die im Bereich der Gemeinden leben, Zeichen der Hoffnung und auch der Solidarität zu geben, sich um sie zu kümmern. Wir werden zudem überlegen, ob wir für die Betroffenen in Kürze eine größere Informationsveranstaltung durchführen werden. Unsere Rolle als Kirche besteht darin, dabei zu helfen, daß sie selbst zu ihrer Entscheidung finden, nicht, daß wir sie stellvertretend treffen. Ich selbst werde mich darüber hinaus mit einer Delegation nach Jugoslawien begeben, um mich vor Ort kundig zu machen.

Die Roma bekommen keine Mark

Haben Sie bei Ihren Gesprächen mit Roma-Familien erfahren, ob irgend jemand auf das „Angebot“ der Landesregierung, unter Inanspruchnahme finanzieller Hilfen die Bundesrepublik zu verlassen, wirklich freiwillig einzugehen gedenkt?

Ich möchte sogar so weit gehen, zu sagen, daß selbst diejenigen, die das Projekt vorschlagen, wissen, daß die Freiwilligkeit von den Betroffenen nicht geteilt wird. Der Eindruck der Öffentlichkeit, daß hier großzügig einer kleinen Minderheit finanziell geholfen werden soll, ist zudem überhaupt nicht zutreffend. Die Verabredungen sagen ganz eindeutig, daß keiner dieser Roma auch nur eine Mark in die Hand bekommt. Die Roma selbst sind weder vor noch nach den Verhandlungen gehört worden, und sie sind auch jetzt bei den Verabredungen vor Ort nicht beteiligt.

Es soll doch auch Hilfen zum Lebensunterhalt geben?

Das ist eine auf sechs Monate befristete Hilfe, die nach meinen Informationen nicht direkt an die Roma ausgezahlt wird, sondern an ein Beratungsgremium, dem nur jugoslawische Staatsangehörige und keine Roma angehören.

Die Roma als Verfolgte anerkennen

Nach Informationen aus dem Innenministerium ist die Situation nun so, daß diejenigen, die das „Angebot“ nicht annehmen, nun abgeschoben werden. Was kann die Kirche tun, um das zu verhindern?

Wir werden sicherlich noch einmal versuchen, mit den Verantwortlichen zu sprechen. Wenn die Landesregierung der Überzeugung ist, daß diese Menschen gegen ihren Willen aus Nordrhein-Westfalen abgeschoben werden müssen, muß man festhalten, daß sich hier für die Roma noch einmal eine oft gemachte Erfahrung bestätigt, daß ihr Vertrauen enttäuscht wird und daß sie immer noch nicht darauf hoffen können, in gleicher Weise als Verfolgte anerkannt zu werden wie andere. Das ist besonders schmerzlich, weil das Volk der Roma genau zu der Minderheit gehört, die in Deutschland in ebenso schrecklicher Weise verfolgt und vernichtet worden ist wie die jüdischen Geschwister. Interview: Walter Jakobs

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