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Von der Golfkrise zur ÖlpreisexplosionÖl macht wieder Politik

■ Das Öl meldet sich als geschichtsträchtige Macht zurück. Nachdem die Preise lange Jahre stabil schienen, stiegen sie in diesem Jahr von 16 auf 40,40 Dollar pro Barrel. In vielen Ländern sind die Auswirkungen katastrophal, im reichen Deutschland scheint die Lage günstig, um die Rohölsteuer ins Gespräch zu bringen.

Es gibt überhaupt keinen Grund für eine Ölkrise“, hat der Mobil-Oil-Chef Detharding Anfang August festgestellt. In der Tat: Die Einbußen der Ölförderung aus dem Irak und Kuweit infolge des Embargos sind beinahe vollständig durch gestiegene Fördermengen in anderen Regionen ausgeglichen worden. Die Opec-Planungen für September beliefen sich auf 22,5 Millionen Barrel pro Tag, erreicht wurden trotz Golfkrise 22,1 Millionen. Dennoch sind die Preise explodiert, in der Nacht zum Mittwoch hat der Dollar einen Tiefststand und der Rohölpreis in New York 40,40 Dollar pro 159-Liter-Faß (Barrel) erreicht. Im Frühjahr lag der Ölpreis bei 16 Dollar.

In der Bundesrepublik ist der Benzinpreis an die 1,40-Mark-Grenze geklettert — dort wollten ihn Verkehrs- und Umweltpolitiker sowieso haben. 50 Steuerpfennige wollte etwa das SPD-Programm Fortschritt 90 aus verkehrs- und umweltpolitischen Gründen auf den Ölpreis aufschlagen. Unklar war nur, ob ein derartiger Willkürakt in einer Autogesellschaft politisch durchsetzbar gewesen wäre. Der baden-württembergischen CDU-Umweltminister hat sich der Forderung nach einer Steuererhöhung angeschlossen.

Die Ölpreissteigerungen in der Folge des Golfkrieges haben zwar keine Wirkungen auf der Einnahmeseite des Staates, scheinen dafür unter AutofahrerInnen leichter zu akzeptieren. Joachim Schwarzer, Referent der SPD-Finanzexpertin Matthäus-Meier: „Wenn Hussein das macht, dann ist die ökologische Wirkung erzielt. Es kommt nicht darauf an, wer den Preis erzielt.“

Um die Benzinsteuer durchsetzbar zu machen, wollte das SPD- Programm die Einnahmen ganz zurückgeben: Die KFZ-Steuer sollte wegfallen, der Freibetrag für kleine Einkommen sollte spürbar erhöht werden. Nach einem Entschluß auf dem Berliner Parteitag wird, sollte die SPD die Wahlen gewinnen, das aktuelle Preissniveau auf die programmatischen 50 Pfennig angerechnet.

Auch die Grünen würden die gestiegenen Preise in Rechnung stellen, wenn sie die Macht hätten, die Bezinsteuer nach ihrem Programm „im ersten Schritt“ um eine Mark anzuheben. Die 50 Pfennig, beklagt sich der Haushaltsexperte der Fraktion, Dietmar Pietsch, hat die SPD aus einem alten grünen Umbau-Programm abgeschrieben. Das grüne Programm gibt die Steuereinnahmen nicht den Leuten zurück, sondern will in umweltfreundliche Verkehrsmittel investieren.

Als ein Rechenexempel hat Anfang September auch die volkswirtschaftliche Abteilung der Deutschen Bank AG die Steuererhöhung auf das Öl in die internen Strategieüberlegungen der Chefetage einbezogen. Der 'Spiegel‘ veröffentlichte Auszüge aus dem Papier, die er fälschlicherweise der Bundesbank in die Schuhe schob. Daß ausgerechnet die Deutsche Bank, deren Interessen mit dem Autokonzern Daimler-Benz verwoben sind, solche Vorschläge macht, könnte verwundern. Dr. Klaus-Peter Seifert, Mitverfasser der Studie, möchte das Denkmodell auch nicht als politischen Vorschlag mißverstanden wissen. Rücksicht auf Daimler sieht er aber nicht: „Eine solche Schere im Kopf haben wir nicht.“ Auch in einer Studie Verkehr 2000 hatte die Deutsche Bank jüngst Steuererhöhungen auf das Benzin erwogen, „um den Individualverkehr zurückzudrängen“. So waren die Sorgen um die „Kosten der Einheit“ Anlaß genug, um auf die Ölsteuer zurückzukommen.

Falls es die Ölkrise nocht gibt, wird sie über die Preise schnell gemacht werden müssen. Wie die Shell mitteilt, reichen die Weltölvorräte noch 42 Jahre. Unsere Kinder werden also schon auf das schwarze Gold verzichten lernen müssen... Klaus Wolschner

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