Durchs Dröhnland: Von der Einsamkeit im Herzen des Cowboys
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Wer wie ich mit Jazz nicht viel anfangen kann, weil ihm die Sache meist zu akademisch ist, andererseits aber die Athmosphäre schätzt, die er zu schaffen in der Lage ist, der kann sich leicht mit Box & Cox anfreunden. Denn die vier aus Berlin fühlen nicht den allgegenwärtigen Innovationsdrang, der sich allzuoft in Noten pro Sekunde messen läßt, sie beschränken sich statt dessen ganz entspannt auf Saxophon, Posaune, Baß und Schlagzeug.
4.1., 22 Uhr, Oxymoron, Rosenthaler Straße 40/41, Mitte
Earache begannen als das extremste Label ihrer Zeit. Sie waren auch die cleversten. Ganz bewußt kreierten die Londoner ein Image, das getragen wurde von einem relativ einheitlichen Sound, der sich prinzipiell darum drehte, was man nach dem Ende der Rockmusik noch aus elektrischen Gitarren rausholen konnte. Tatsächlich tat sich damals vor allem im Metal und Hardcore etwas, als sich langhaarige Spinner aufmachten, die Grenzen des Machbaren auszuloten. Die Ergebnisse nannten sich Death Metal und Grindcore, waren damals meist ziemlich aufregend, größtenteils nervenzerfetzend und zum Teil schlicht unhörbar.
Das ist jetzt bald zehn Jahre her, und auch earache ist nicht mehr das, was es mal war. Längst haben sich die Stile aufgefächert, und auch earache ist inzwischen offen für vieles, was früher jenseits lag. Immerhin lassen sich auf der „earache: nextgen 98 tour“ Gegenwart und Zukunft und möglicherweise ja sogar die Vergangenheit einer der innovativsten Plattenfirmen der späten achtziger und frühen neunziger Jahre nachhören.
Den Headliner geben Dub War aus Wales, die mit ihrer Fusion aus Hardrock und Reggae eine verhältnismäßig zahme Version der Bad Brains ablieferten, es damit aber schon einige Male in die britischen Charts geschafft haben. Misery Loves Co. aus Schweden lassen noch einen Hauch der düsteren earache-Vergangenheit erahnen, gehen aber heutzutage auch als Mainstream- Rock durch. Janus Stark, bei denen der Bühnengitarrist von The Prodigy mitmacht, spielen einen nett poppigen Punkrock. Pulkas sind düster, schwer, metallen und aus London. Abwechslung bieten Ultraviolence mit ihren ziemlich dünnen, aber dafür um so schwerblütigeren Elektropuzzles, die sie selbst Hardcore-Techno nennen.
5.1., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg
Die Vermoosten Vloten fanden sich in einem Übungskeller in Regensburg und hatten nach dem Umzug nach Berlin ihren ersten Auftritt im Café Anfall. Beides sind nun nicht gerade die hippsten Orte der Welt, aber die beiden Berlinerinnen haben es immerhin schon zu Nikki Sudden als Produzenten gebracht, auch wenn der sich dabei nicht gerade übernommen hat. Da sie als Einflüsse mit Velvet Underground, Cramps und Mecca Normal allerdings die üblichen Verdächtigen angeben, geht der dünne Sound schon in Ordnung. In den guten Momenten, von denen es einige gibt, läßt sich zwischen dem schüchternen Schlagzeug, der desperaten Gitarre und den Fetzen von der Mundharmonika erspüren, wie einsam es den Cowboys um Herz sein muß, die die Vloten immer wieder gern besingen. Das mit dem genialen Dilettantismus ist nicht wesentlich besser geworden, und das ist auch besser so, denn ein großer Teil des brüchigen Charmes geht darauf zurück.
7.1., 21 Uhr, Plantation Club, Stresemannstraße Ecke Möckernstraße, Kreuzberg
Einer der Wege, den Hardcore aus der Sackgasse suchte, führte in eine gewisse Verästelung, die einen sogar an Jazz erinnern konnte, ohne dessen Komplexität jemals wirklich zu erreichen. Innerhalb des primitiven 4/4-Schemas, den der Punkrock vorgegeben hatte, wurden aber ein kleiner Rhythmuswechsel, ein Atonal-Ausfall oder ein gemütlich groovender Takt schnell zur Sensation.
An dieser Bruchstelle, die, mit dem Abstand der Jahre betrachtet, auch nicht allzuweit geführt hat, setzen Flux an. Das Quartett aus englischen, australischen, amerikanischen und Kölschen Berlinern baut nach jahrelangen Erfahrungen in herzlich erfolglos gebliebenen Punkrockbands nun diesen Ansatz aus und versucht ihn totzureiten. Was bleibt, ist psychotisch überladener Hate- Rock, den man mitleidsvoll betätscheln möchte, so hoffnungslos ist er neben der Zeit.
8.1., 21.30 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg
Wer nun gar nicht lassen kann von einem flotten Folksong, der auch noch einen Rest politischen Bewußtseins im Bauchladen hat, ist immer wieder bei der Oyster Band und ihrer ausgedünnten Version einer langen, ehrwürdigen Tradition an der richtigen Stelle.
8.1., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg
Thomas Winkler
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