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■ Von Rizinus, Piloten und eroktiler DysfunktionMein wunderbarer Medizinsalon

Es ist das Verdienst der epidemiologischen Forschung, Licht auch in die dunkelsten Zusammenhänge zu bringen und unser Alltagswissen endlich auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen. Wer schon immer daran geglaubt hat, daß Menschen afrikanischen Ursprungs der Natur näher sind, kann sich jetzt bestätigt finden: Im amerikanischen Bundesstaat Mississippi wurden 223 Haushalte nach ihrer Verwendung von pflanzlichen Arzneimitteln befragt. Dabei kam nicht nur heraus, daß mehr als 70 Prozent von ihnen im vergangenen Jahr mindestens ein Phytotherapeutikum, also ein Pflanzenheilmittel verwendet haben, sondern es ging aus der Untersuchung auch hervor, daß die schwarze Bevölkerung insgesamt mehr Pflanzen als Medizin einsetzte, als die weiße. Zitrone, Rizinus und Terpentin standen auf der Hitliste in dieser akribischen Untersuchung. Kann man daraus nun schließen, daß Schwarze eher an Zauber und Pfanzenheilkunde glauben – oder haben sie einfach weniger Lust, zum Arzt zu gehen –, oder könnte das gar etwas mit dem US-amerikanischen Krankenversicherungssystem zu tun haben?

Viel zuwenig erforscht ist bisher auch noch das Berufsrisiko von Piloten. Deswegen wurden 2.740 Piloten der Air Canada auf ihre Sterblichkeit und das Vorkommen von Krebs untersucht. Dabei zeigte sich, daß Piloten ein geringeres Krebsrisiko – mit Ausnahmen von Prostatakrebs und einer akuten Leukämieform – als die Normalbevölkerung haben und eine geringere Sterberate aufzeigen. Das heißt, sie sterben in einem Bezugszeitraum seltener als Menschen, die am Boden leben. Damit nun nicht alle danach streben, Pilot oder Pilotin zu werden, sei hier nicht verschwiegen, daß ein weiteres Ergebnis der Studie wie ein Wermutstropfen zwischen die schönen Ereignisse fällt. Die Wahrscheinlichkeit nämlich, bei einem Flugzeugunglück ums Leben zu kommen, ist für Piloten wesentlich höher, als für die übrige Bevölkerung, die ihr Leben brav am Boden verbringt – wer hätte das gedacht.

Ohne Wermutstropfen hingegen sind die Ergebnisse einer Studie von türkischen Wissenschaftlern, die sich eines besonders heiklen Problems annahmen: Sie untersuchten verschiedene Therapiekonzepte bei der „erektilen Dysfunktion“, landläufig als Impotenz bekannt. Da sich in bis zu 80 Prozent dieser oft als peinlich empfundenen Funktionsstörung keine organische Ursache finden läßt, ist die Medizin sich bislang über die adäquate Behandlung uneins. Nun wurde die Gabe von Hormonen mit der eines Antidepressivums und eines Plazebos verglichen. Zwar sprachen immerhin 38 Prozent der Patienten – bei denen keine organischen Störungen festgestellt werden konnten – auf das Plazebo an, 60 beziehungsweise 67 Prozent wurden mit Hormonen oder dem Antidepressivum gebessert. Die höchste Erfolgsrate aber wurde bei einer vierten Gruppe erreicht, in der immerhin 80 Prozent der Patienten eine positive Wirkung nach der Therapie, die man ihnen hatte angedeihen lassen, verspürten. Sie waren ausschließlich mit Hypnose behandelt worden, laut Lexikon ist das die suggestive Herbeiführung eines schlafähnlichen Zustandes mit Bewußtseinseintrübung! Sonja Chevallier

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