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Von Nattern und Platzhirschen

Wie aus den Ränken und Zänken der Frauenbewegung letztendlich doch noch etwas Gutes herauskommen kann, das zur Beglückung der Menschheit beizutragen vermag  ■ Von Sonja Schock

„Manche Frauen“, sagte Dame Musset, „sind Walrösser, und manche sind Landsäue, und wieder andere sind Würmer, doch manche sind Schwestern des Himmels, und denen müssen wir folgen und uns nicht auf Abwege locken lassen.“

Welch dekadente, präfeministische Bosheit! Längst überwunden? – Keineswegs! Zum Glück, denn dort, wo der feministisch korrekte Sprachgebrauch aufhört, warten nicht selten wahrer Spaß und Befreiung. Wertvolles Ventil, diese bösen Wörter, zwischen den Zähnen hervorgezischt: „Trampeltier“ oder „Natternbrut“; ausgelassene Heiterkeit im Gespräch über all die Schafe und Seekühe unter uns. Femina feminae lupa!*

Derart animalisch werden die Auseinandersetzungen auf der neuen taz-Frauenseite natürlich nicht laufen. Statt dessen werden wir uns im Ladies Almanach um messerscharfe Analysen, Einblicke in die schillernsten Lebensrealitäten und knallharte Debatten bemühen. Und wir werden nicht nur die Männer zur Hölle schicken, sondern auch die Schwestern des Himmels suchen.

Leider sind diese eher rar, denn ihre Entfaltungschancen sind gering. Dafür sorgen nach wie vor zwei bewährte Methoden, die eine gründliche Untersuchung verdienen: Da ist zum einen der Muttermord.

Er wirkt nicht nur als gelungene Verlagerung ganz individueller Familienstrukturen, sondern garantiert zudem, daß sich die Frauenbewegung immer wieder selbst neu erfinden kann. Um so größer ist dann stets die Überraschung, wenn ein Blick in die Annalen der Frauengeschichte die Erkenntnis beschert, daß eine Reihe von Überlegungen keineswegs originell, sondern bereits hundert Jahre alt sind.

Da ist zum anderen das Champignonprinzip – alles, was rausragt, wird abgeschnitten. Es entspricht zwar mittlerweile nicht mehr ganz der feministischen Mainstream- Ideologie, erfreut sich aber in der Praxis immer noch großer Beliebtheit, schafft es doch, zumindest vorübergehend, Gemeinschaftsgefühle. Wer querzudenken und deshalb den Schwestern quer im Magen zu liegen pflegt, wird nicht selten geopfert. Dadurch wird nicht nur eine mögliche Auseinandersetzung vorzeitig abgebrochen, sondern auch eine verletzende Ausgrenzungspolitik betrieben. Wie es gerade unter Frauen zu diesem Respektmangel kommt, wird zu hinterfragen sein.

Sind die Morde erst vollbracht, schauen wir uns um und sind von uns selbst umgeben. Das ist nicht immer heiter, haben wir doch viele gute Gründe, uns nicht geheuer zu sein. Zum Glück gibt es das Fremde, dem wir uns auf der Flucht vor dem Eigenen widmen können. Es läßt sich vorzüglich bearbeiten, portionsweise einverleiben oder auch wieder hinter die Grenzen verweisen, ist garantiert nicht deutsch und im Idealfall sogar noch tanzbar und schmackhaft. Die Methoden und Motive, Flüchtlingsfrauen und Immigrantinnen für die jeweils eigenen Zwecke zu funktionalisieren, sind zahlreich. Kein Wunder, daß sie angesichts derart verdächtiger Bündnisse den Rückzug antreten, erst einmal die Forderung nach gleichen (AusländerInnen-)Rechten aus der Nebenwiderspruchsecke herausholen und schließlich sogar das alte Privileg des Beschreibens stürmen und den ethnologischen Blick auf ihre deutschen Schwestern wagen – eine Perspektive, die uns einige Erkenntnisse bescheren könnte.

Das lila Banner, unter dem sich alle mehr oder weniger schwesterlich versammelt haben, steht seit Jahren verstaubt im Keller – und das ist gut so. Denn es muß nicht gewaltsam zusammengezwungen werden, was auch sehr gut nebeneinanderstehen kann. Um die sich daraus ergebenden Vorteile zu erkennen, genügt ein Blick ins Kochbuch: Wenn jede Zutat ihr Aroma für sich entfalten kann, wird das ganze erst so richtig lecker. Daß wir uns noch immer ein wenig damit schwertun, Differenzen auszuhalten, daß manch eine die eigene Position auch gleich als Garant für eine vermeintliche moralische Überlegenheit betrachtet und andere Denkansätze mit Schlagtotbegriffen à la „politisch nicht korrekt“ ins Abseits schickt – welch eine Herausforderung!

Haben sich die Krähen dann erst einmal gegenseitig die Augen ausgekratzt, wird der ungetrübte Blick aufs Patriarchat frei. Denn das gibt es ja leider auch noch. Und wie eh und je zeigen die Herren der Schöpfung wenig Neigung, den Damen auf dem Weg zur Macht den Vortritt zu lassen. Zwar wird allenthalben der Ruf nach neuen Kursbestimmungen und tragfähigen Gesellschaftsmodellen laut, die Nachfrage nach den Erkenntnissen von Frauen hält sich jedoch offensichtlich in Grenzen. Dies gilt auch für die Medien. So wurden zum Beispiel in der großen liberalen Wochenzeitung aus Hamburg in der Rubrik „umdenken“ allwöchentlich verschiedene Denker um neue Visionen gebeten. Die Denkerinnen blieben weitestgehend außen vor – ihre geistige Partizipation an innovativen Gesellschaftsmodellen war wohl nicht gefragt. Dabei könnte eine Auseinandersetzung gerade dort spannend werden, wo die schlauen Frauen die ihnen zugewiesenen Themenwiesen verlassen und mit kritischem Auge und spitzer Feder das häufig reichlich dilettantische Gewurstel der sogenannten Fachmänner als solches bloßlegen.

„Ich“, sagte Lady Buck-and- Balk – denn die Geister hatten ihren Sinn für Nuancen etwas abgestumpft –, „wünschte nur, wir könnten den Mann ganz und gar abschaffen!“ „Das geht doch nicht“, seufzte Tilly Tweed-in-Blood, „wir brauchen ihn zum Kohlentragen, Balkenheben und noch für dies und das.“

Die Strategien, mit der Plage Patriarchat zu verfahren, sind zahlreich. Die einen betrachten es als überwunden oder doch zumindest fern der eigenen Sphären – eine Sichtweise, die zumindest den Männern einige Heiterkeit bereiten dürfte! Die anderen sehen in ihm die Quelle allen Übels, was sehr praktisch ist, reduziert diese Haltung doch das Wissen um Eigenverantwortlichkeit auf ein bequem handhabbares Minimum. Alle anderen kämpfen mehr oder weniger tapfer mal um die Entlarvung der väterlichen Ordnung, mal um die Verdrängung der eigenen Schweinehündin. Derweil entwickeln sie Unmengen von Gewaltphantasien und/oder psychosomatischen Störungen. Dann gibt es noch die Cleverles, die, freundlich und unverdächtig lächelnd, hin und wieder einen eleganten Haken und dem Patriarchat ein Schnippchen schlagen. Da ist die offenkundige Belustigung der Spötterinnen schon verdächtiger: Sie setzen auf die subversive Kraft des Lachens und kommen so, auch wenn die Männerherrschaft dadurch nicht gleich einstürzt, wenigstens auf ihre Kosten. Gerade in der Vielfalt an Strategien, Erfahrungshintergründen, Perspektiven und Fachkompetenzen liegt ein Potential, das besser genutzt werden könnte. Deshalb wird dieser Almanach einem möglichst breiten feministischen Spektrum offenstehen, auf daß ein lustvolles und kultiviertes Denken und Streiten gegenseitig befruchtend und patriarchatsdemontierend wirke. Und siehe, wir werden gewahr werden: Es gibt mehr als einen Weg!

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