■ Vorschlag: Von Gespenstern getrieben: 16 Horsepower im Knaack
David Eugene Edwards hat einmal gesagt, das, was seine Band 16 Horsepower spielt, wäre „unsere zeitgenössische Version der traditionellen amerikanischen Musik“. Daran haben zuletzt ja nun einige gearbeitet, ob Johnny Cash mit der Hilfe Rick Rubins, immer wieder Neil Young natürlich, von den Tausenden an Bands ganz zu schweigen, die Blues oder Country überrascht wie den Stein der Weisen entdecken. 16 Horsepower tun zum einen genau das, nämlich die Traditionen neu entdecken. Zum anderen aber merkt man, daß das Trio seine Vorbilder kennt, ihnen gehörigen Respekt entgegenbringt, ohne in Ehrfurcht zu erstarren. Das geht vom Zitieren von Bibelversen auf dem CD-Inlet bis zur Instrumentierung, die auf Banjo oder Schifferklavier nicht verzichten mag. Diese Band macht das, was vielleicht einige von der letzten Ween-Platte erwartet haben, wogegen die sich aber konsequent gesträubt haben.
Eigentlich ist es absurd: Bei Ween entsteht der ironische Abstand dadurch, daß sie Country (nicht auf der textlichen Ebene, aber doch musikalisch) museumsreif rekonstruieren, während 16 Horsepower das kulturelle Erbe ernst nehmen und eben gerade deswegen modernisieren müssen. So entstehen aus fröhlichen Hillbilly-Rhythmen wie selbstverständlich düsterste Moritaten. Als hätte sich ein Wiener Kaffeehausorchester nach Nashville verirrt.
Man merkt, daß Edwards Großvater Prediger war, der von einer Kanzel irgendwo in Colorado herab drohend Gottes Wort verkündete. Man kann es auch in den Texten lesen, die sich ausführlich im Buch der Bücher bedienen und immer wieder um Sünde und Sühne, Vergeltung und Vergebung kreisen. Die, erzählt Edwards, kommen zu ihm wie eine Eingebung. „Manchmal ergeben sie für mich nicht einmal einen Sinn.“
Das alles kann man weniger hören als fühlen, wenn Edwards so selbstvergessen und knapp vorm Überschnappen singt wie Patti Smith, als die noch richtige Zähne im Mund hatte, oder so wie Jeffrey Lee Pierce, als der noch nicht tot war. Zwischen erdbraunem Blues, kitschigem Country und verzweifelt-fröhlichem Cajun entsteht hier etwas Heiliges, etwas, das getrieben ist, wie man es von großer Kunst erwarten darf. Thomas Winkler
3.9., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224
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