Von Dynamo über'n 1.SC zum HC Preußen

■ Ein Handballverein sucht Zukunft und Sponsoren, findet teure Krawatten plus Diestels Unterschrift und fliegt aus dem EC

Berlin. Sowas schon mal erlebt? Der Präsident eines Handball-Klubs tritt vor seine Spieler und bedankt sich für ein Match, das sie soeben deftig verloren haben. Aber auch sonst fällt der 1.SC Berlin in diesen Tagen aus dem Rahmen: Die Ex-Dynamos holten nach 19 Jahren Pause wieder den DDR-Meistertitel im Männerhandball nach Berlin. Das war im Frühling. Da scheute das junge Team voller Hoffnung in die Zukunft. Nun ist Herbst und die Vergangenheit hat sie immer wieder eingeholt.

Genauso altgediente wie unfähige Funktionäre verhinderten ein modernes Sponsoring der zwölf Sportarten des Berliner Spitzenclubs. Vermögensberater, »deren Hemden immer weißer und Krawatten immer teurer wurden« (Trainer Funk), erwiesen sich als Scharlatane bester Güte. Prominenz ist darunter: Die Fechtwerbeagentur Tauberbischofsheim (FEMAT) bot sich an, der dicke Emil Beck versprach dicke Sponsoren. Handball-Coach Funk faßt Becks Angebot heute so zusammen: 80 Prozent Selbstdarstellung, 20 Prozent Absage.

Ein vom SFB-Reporter Brauns vermitteltes Streitgespräch zwischen beiden wurde mitgeschnitten und den Funktionären des Klubs vorgelegt. Ganz wie in alten Zeiten.

Wer Gunther Funk auf die Palme bringen will, muß ihn nach Emil Beck fragen. Wer ihn wieder runterholen möchte, fragt nach Thomas Lips. Die rechte Hand Diestels war zunächst mit dem Abbau des Polizei- Stasi-Sport-Imperiums »Dynamo« befaßt, bevor er zum Personalchef des absterbenden Innenministeriums befördert wurde. Lips (29, Ex-Judoka) wurde vorige Woche Präsident der Berliner Handballsektion. Erste Amtshandlung: Trennung vom Klub und Neugründung des Handballclubs (HC) Preußen.

Nun sucht er Sponsoren für einen Etat von rund einer Million DM. Sein erster Verdienst ist der Abschluß der Nutzungsverträge für die Sporthallen, die sonst als ehemalige Stasi-Objekte bei der Treuhand-Gesellschaft unter den Hammer gekommen wären. Die Unterschrift von Lips' Freund Diestel war sicher das kleinste Problem.

Größere Probleme könnte die sportliche Profilierung des Handballteams bereiten. Die Querelen der letzten Monate hinterließen sichtbare (Weggang von Aufbauspieler Querengässer zu TUSEM Essen) und unsichtbare (Verunsicherung in den Köpfen der »Hiergebliebenen«) Spuren. Die Quittung präsentierten ihnen nun die Mittelklasse-Handballer von Dukla Prag. Der 25fache Meister der CSFR verschloß den Berlinern mit lautem Knall die Tür zur zweiten Runde des Europacups der Landesmeister.

Nach dem Hinspiel-Resultat von 15:20 konnten die 1.SCB/HC Preußen-Handkicker die Tür ohnehin nur für einen Moment und nur einen Spalt breit öffnen. Eine Minute vor Halbzeitpfiff stand es 12:8, damit waren vier der fünf Manko-Tore zwischenzeitlich aufgeholt. Doch aus den Kabinen kamen nicht die Berliner, sondern die Prager gestärkt, setzten ihre Routine und mittelmäßige technische Fertigkeit ein, die an diesem Tag allemal ausreichten, dem ersatzgeschwächten DDR- Meister eine lange Nase zu zeigen.

Trainer Funk mußte sogar auf den 19jährigen Maik Heinemann zurückgreifen, der noch gar kein Oberliga-Spiel absolviert hat. Auswahl- Keeper Grosser war ein totaler Ausfall, hielt nur fünf Bälle, wo etwa 15 als das Normale gelten. Das Ende vom Trauer-Lied: 20:26-Heim-Blamage. »El presidente« Lips dankte dennoch den Spielern und meinte, daß am Montag sowieso eine neue Zeitrechnung anbreche, die des HC Preußen.

Warum nicht: Hoffen kostet nichts. Hagen Boßdorf