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Archiv-Artikel

Von Deeskalation nichts zu spüren

Betr.: Kommentar „Deeskalation auf beiden Seiten“, taz nord vom 17. 7. 2008

Dieser Kommentar ist ein Schlag ins Gesicht jedes Demonstranten und jeder Demonstrantin, die am 5. Juli in Oldenburg waren, da er von einer völlig falschen Darstellung der Ereignisse ausgeht. Zu der Zeit, als die „200 Demonstranten“ – übrigens auch viele Demonstrantinnen – „zum Bahnhof liefen“, waren tatsächlich noch einige Nazis am und im Bahnhof, allerdings auf der anderen Seite und gut abgeschirmt durch Einsatzkräfte. Auf dem Bahnhofsvorplatz bewegten sich dagegen viele GegendemonstrantInnen, die keinerlei Anstalten machten, das Gebäude zu stürmen.

Es ist für mich absolut unverständlich, welche deeskalierende Maßnahme die Polizei mit ihrer Sperrung der Kaiserstraße verfolgte. Wer vor Ort war, konnte verfolgen, mit welcher Brutalität die Polizei gegen die eingekesselten Demonstrantinnen vorging. Eine im Rollstuhl sitzende Frau wurde von Einsatzkräften so brutal beiseite geschubst, dass ihr Rollstuhl beinahe umgefallen wäre. Über lange Zeit wurde von den Eingekesselten immer wieder darum gebeten, wenigstens die Verletzten zur Versorgung aus dem Kessel zu lassen – ohne Erfolg. Und der Umgang mit der verletzten Frau, den ich teilweise mitverfolgt habe, ist das Schlimmste, was ich bisher auf Demonstrationen erlebt habe – einschließlich des Kommentars eines Polizisten: „Wenn die stirbt, ist sie selbst Schuld.“

Aus meiner Sicht war hier von Deeskalation nichts zu spüren. Ich hatte eher das Gefühl, wie schon auf vielen Demos in Niedersachsen: Wenn’s zu friedlich verläuft, schaffen wir uns am Schluss noch einen Grund für den Großeinsatz. ERIKA SCHNEIDER, Barnstorf