die taz-empfehlung : Von Carabinieri und G8
In Genua ist er geboren, über Genua hat er geschrieben: Mit brutalen Übergriffen der Polizei auf Demonstranten beim G8-Gipfel 2001 befasst sich das Stück „Peanuts“ des italienischen Schauspielers und Autors Fausto Paravidino, der zur Tatzeit in Paris weilte. Eine schlichte Abrechnung mit der Staatsmacht ist seine Arbeit nicht: Den Grat zwischen Täter- und Opferschaft sowie die Sozialisation einer Generation, die Dissidenten wie Carabinieri hervorbringt, zeichnet der 1976 geborene Autor in dem Stück nach, das jetzt im Schauspielhaus gezeigt wird. Anlass ist das Semester-„Finale“ der Theaterakademie.
Elf Jugendliche – unterteilt in klar definierte Typen vom Feigling bis zur Berechnenden– demolieren darin langsam, aber sicher die geliehene Wohnung. Eine durch nichts steuerbare Gruppendynamik ist Thema des ersten Teils; die Fortsetzung folgt zehn Jahre später: Dieselben Personen wie zuvor finden sich jetzt auf einer Polizeiwache ein. Die Carabinieri foltern, der Freund schlägt den Freund – und sei es, um die eigene Existenz zu rechtfertigen.
Kleiner Kunstgriff des Autors: Während im ersten Teil das fast cartoonhafte Geplänkel von gewichtigen Titeln wie „Globalisierung und Internationalisierung“ begleitet wird, illustriert er die Folter-Szenen mit harmlosen Wohlfühl-Titeln. Bewusst nutzt er die Stilmittel von Charles M. Schulz‘ „Peanuts“-Comics.
Offen bleibt – trotz aller Überzeichnung – die ernst gemeinte Frage, wie viel Widerspruch ein System erträgt, das sich demokratisch nennt, sich gelegentlich aber diktatorischer Praktiken bedient. PS
heute, 19 Uhr, Schauspielhaus