: Vom Unterwegssein in die Welt
WERKSCHAU Das Metropolis-Kino in Hamburg zeigt bis Ende Mai eine Werkschau der österreichischen Dokumentaristin Ruth Beckermann
In ihren Filmen ist sie immer unterwegs – sogar, wenn sie das alltägliche Leben in der Straße zeigt, in der sie wohnt, wie 2001 in „Homemade“: Ruth Beckermann, 1952 in Wien als Tochter von Holocaust-Überlebenden geboren, macht seit 40 Jahren Dokumentarfilme. Das Hamburger Metropolis Kino widmet ihr vom 13. Mai an eine kleine Werkschau.
Für „Those Who Go Those Who stay“ aus dem Jahr 2013 hat Beckermann filmische Streifzüge durch Europa und rund ums Mittelmeer unternommen und dabei geplant absichtslos geschaut. So wirkt es wie zufällig, wenn die Kamera Wiener Nationalisten in Stammtischlaune beobachtet – oder drei verschleierte Frauen in Alexandria, die versuchen, eine vielbefahrene Straße zu überqueren.
Die ältesten Filme der Werkschau bilden eine Trilogie, in der sich Beckermann mit der jüdischen Identität beschäftigt. In „Wien retour“ aus dem Jahr 1983 zeichnet sie die Erinnerungen des Künstlers Franz West auf, der von seiner Jugend in Wien und dem Aufstieg des Austrofaschismus und des Nationalsozialismus erzählt. In „Die papierene Brücke“ (1986) fährt sie selbst durch das Wien ihrer Kindheit und erzählt dabei ihre Familiengeschichte. In „Nach Jerusalem“ (1990) schließlich setzt sie ihre Suche nach Heimat in Israel fort und trifft viele, die durch das Leben im Exil zwischen den Kulturen leben. Als eine optimistische Fortsetzung davon lässt sich Beckermanns Film „Zorros Bar Mizwa“ (2006) verstehen, in dem sie vier Zwölfjährige bei den Vorbereitungen für ihre Bar Mitzwa begleitet, also jene Feier, bei der sie in die Gemeinschaft der erwachsenen Juden aufgenommen werden.
In „Jenseits des Krieges“ (1996) zeigt Beckermann Besucher der Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“, die damals in Wien gezeigt wurde und sehr umstritten war. Nachkommen ehemaliger Wehrmachtsoldaten reagierten sehr persönlich, während Zeitzeugen von ihren eigenen Erlebnissen erzählten. Der neuste Film von Ruth Beckermann „Die Geträumten“ lief im letzten Jahr auf der Berlinale.
Sein Zentrum bilden die Briefe, die Ingeborg Bachmann und Paul Celan einander geschrieben haben. Ihre intensive und traurige Liebesgeschichte begann 1948 und endete 1971 mit Celans Suizid. Zwei junge Schauspieler lesen in einem Tonstudio aus diesem Briefwechsel vor und Beckermann zeigt mit der Kamera, wie die Stimmungen der Briefe sie beeinflussen, wie sie miteinander plaudern, rauchen, streiten und sich versöhnen. Dabei verwischen die Grenzen zwischen Inszenierung und Dokumentation. hip
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